Madame Fabienne
kämpfen, wenn es so weit kommt."
"Vielleicht geht es auch so."
"Vielleicht hat auch Jean Claude uns verraten?"
Fabienne schüttelte den Kopf, "Das können wir nicht wissen. In der Fabrik hat er nichts zu melden. Und wahrscheinlich hat Gaston Roque-Maurel ihn schon gefunden und vielleicht auch unter Druck gesetzt."
"Meinst du wirklich?"
"Bestimmt... Der alte Gaston ist mit einer halben Armee in die Stadt gekommen. Vielleicht kann er sogar die Telefone in der Fabrik abhören. Erinner dich doch mal an diesen Citroën, der aufgetaucht ist, als wir die Telefonzelle das letzte Mal benutzt haben."
"So schnell können die anderen nie reagieren."
"Hoffentlich, aber du darfst nicht vergessen, dass der alte Roque-Maurel auf solche Sachen spezialisiert ist: Leute bespitzeln, und wenn nichts mehr geht, räumt er sie aus dem Weg— das ist sein Job." Sie machte nun die Tür auf ihrer Seite auf, so leise es ihr möglich war. Es gab trotzdem ein kleines Geräusch, das ihr überlaut vorkam. Da waren auch wieder die Stimmen der Toten, ein feines Wispern, das sich durch die Nacht zog.
Véronique wandte sich ihr wieder zu, und dabei zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht: "Weißt du noch, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, damals in diesem Supermarkt in Royan."
"Wie lange das jetzt schon her ist."
"Wer hätte damals ahnen können, was sich alles daraus entwickelt." Véronique fuchtelte mit einer Hand durch die Luft, "Ich meine, wenn ich nicht gewesen wäre... Dann hättest du auch nicht deinen Job an der Kasse verloren."
Es war ihre Entscheidung gewesen. Sie hätte die Party abbrechen können, aber damals wollte sie ihre Spaß haben... Diese Nacht am Strand von Pontaillac. Sie musste ein bisschen grinsen, "Ich habe es so gewollt... Wir sind einen langen Weg gegangen." Sie machte die Tür nun ganz auf und wollte schon aussteigen, wandte sich dann aber noch mal an Véronique, "Wenn etwas schief läuft, treffen wir uns in unserem Apartment."
"Abgemacht. Kennst du den Weg dorthin?"
Sie zögerte.
Véronique zeigte ihr die Richtung an, "Immer da entlang."
Fabienne nickte ihr zu und schloss die Tür so leise wie möglich. Sie blieb neben dem Wagen stehen und sah sich erst mal um. Hier in der Nähe hatten sie Didier und diesen Hector begraben. Nebelschwaden zogen sich in der Höhe zusammen und griffen an einigen Stellen nach unten. Manchmal kam der Wind auf und spielte mit ihren Haaren, dann spürte sie auch Nieselregen auf ihrem Gesicht. Sie folgte ein Stück dem Feldweg, drehte sich dann aber noch mal um — Véronique sah ihr nach, und für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke.
Fabienne ging schließlich weiter und schob die Hände in die Manteltaschen. Sie lauschte den Toten, die unter ihr im Erdreich lagen. Sie waren hier überall.
*
Jean Claude saß auf dem Beifahrersitz und beobachtete unauffällig, wie Bikem Taschkan den BMW lenkte. In ihrem Gesicht blieb alles starr, und es sah so aus, als wäre sie ganz konzentriert. Was ihr jetzt wohl durch den Kopf ging? Bestimmt hatte sie schon von Luigi Vacaro Anweisungen erhalten, aber wie lauteten diese?
Würde er diese Nacht überstehen?
Er hatte noch viel vor und wollte leben. Die ganze Sache ging ihn doch nur wenig an; eigentlich war es die Fabrik gewesen, die ihn da reinzogen hatte. Er lugte über die Schulter: Luigi Vacaro saß auf der Rückbank, und neben ihm lag dieser graue Schalenkoffer, in dem vielleicht das Geld für Fabienne war.
Wie viel würde sie wohl dafür bekommen, dass sie Sibel Gündesch manipuliert hatte? Wie schlecht ihm auf einmal war, wenn er doch nur etwas trinken könnte! Er sah wieder nach vorne und konnte nun schon Oppau in der Ferne erkennen. Sie fuhren langsam, obwohl es sonst so gut wie keinen Verkehr mehr gab. Mindestens zwei Wagen der Fabrik folgten ihnen. Aber da ihr Ziel ungefähr bekannt war, hatte Vacaro seine Leute vielleicht schon im Voraus verteilt, zumindest würde das Sinn machen.
Vacaro saß auf der Rückbank und beobachtete ihn, oder meinte er das nur? Der Mann war ganz in Schwarz gekleidet und trug eine kugelsichere Weste. Als sie in seinem Büro gewesen waren, hatte Vacaro diesen Revolver gereinigt— ob man ihn umlegen wollte? Es wäre schon möglich. Vielleicht könnte er irgendwie fliehen, aber wie?
Sie erreichten nun Oppau, und Bikem Taschkan wandte sich an ihn, "Was jetzt?"
Er zeigte auf eine der Nebenstraßen, "Hier bitte gleich abbiegen."
Sie tat es, und die beiden anderen Wagen folgten ihnen, hielten
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