Madame Hemingway - Roman
wiederzuerkennen, Hadley jedoch nicht. Weshalb? Glauben Sie, Ernest hätte das Buch ohne sie schreiben können? In welchem Maße war sie seiner literarischen Karriere dienlich?
Die Figuren in
Fiesta
wirken schrecklich leer und entfremdet. Sie taugen gut für die Geschichte, doch Hadley hätte wohl nie ein Teil von ihnen sein können. In Ernests Vorstellung war sie zu erhaben, um in dieses Durcheinander verstrickt zu sein. Sie taucht also nicht als Figur im Roman auf, doch für seine Entstehung war sie unentbehrlich. Ernest hätte das Buch ohne ihre Unterstützung – sowohl finanziell als auch emotional – und ihre fortwährenden Ermutigungen niemals schreiben können.Ich denke sogar, wenn er die Stabilität seines Lebens mit Hadley nicht besessen hätte, wäre er wahrscheinlich auch in diesem Chaos versunken, ohne es wahrnehmen und so kraftvoll wiedergeben zu können.
Durch Hadleys Augen sehen wir, dass Paris sich im Laufe ihrer Ehejahre veränderte. Inwiefern?
Das Nachkriegs-Paris schien immer unsicherer und desillusionierter zu werden, was traditionelle Werte betraf, und dagegen fasziniert von allem schockierend Neuen zu sein. Auf Ernest übt dies einen magnetischen Sog aus, während Hadley sich fragt, ob sie ihren Ehemann überhaupt noch wiedererkennt und ob ihr seine Veränderung zusagt. Diese Spannung wird mit der Zeit größer und markiert den Beginn ihrer Entzweiung – was umso tragischer ist, wenn man sich bewusst macht, dass Ernest später alles darum gegeben hätte, um zu dem einfachen Glück der Pariser Anfangsjahre und zugleich der besten Zeit seines Lebens mit Hadley zurückzukehren.
In welcher Weise hatte sich Hadley am Ende ihrer Ehe verändert?
Auch wenn die Ehe der Hemingways zerbrach, ist Hadley dankbar, Ernest gekannt und geliebt zu haben. Wenn man sich den emotionalen Schmerz und die körperlichen Einschränkungen ihrer Jugend vor Augen hält, erkennt man, wie dramatisch ihre Veränderung ist. In ihren Jahren mit Ernest blüht sie auf und entdeckt in sich eine Stärke und Widerstandsfähigkeit, die ihr zuvor nicht bewusst waren. Und auch die Geburt ihres Sohnes verändert sie: Sie findet ihren Sinn im Leben, ihren Kern. Am Ende helfen ihr die Ressourcen, die sie während ihrer Ehe mit Ernest entdeckt hat, den Schmerz der Trennung zu überstehen.
Wie ging es nach der Scheidung für Hadley und ihren Sohn Bumby weiter? Glauben Sie, sie hat danach noch einmal solch eine starke Liebe erlebt? Hat Ernest das?
Im Jahr 1933 heiratete Hadley den Journalisten und Dichter Paul Mowrer, mit dem sie Bumby gemeinsam aufzog. Sie lebten zunächst in Europa, später dann in einem Vorort von Chicago. Für Hadley war es wichtig, dass Bumby ein sicheres und beständiges Familienleben hatte, und mit aus diesem Grund hat sie Paul geheiratet. Sie sagte, dass sie sich nicht sofort in ihn verliebte, aber dass er ihr mit der Zeit immer mehr ans Herz wuchs und sich als einer der liebenswürdigsten Menschen erwies, die sie je kennenlernte, und Stabilität in ihr Leben brachte.
Bumby verbrachte so viel Zeit wie möglich mit Ernest und seinen beiden neuen Brüdern. Er ging auf verschiedene Privatschulen und verbrachte ein Jahr am Dartmouth College, bevor er als Soldat in den Zweiten Weltkrieg zog. Er wurde 1944 verwundet und von deutschen Truppen gefangengenommen, während er sich auf Erkundung im Rhônetal aufhielt. Der deutsche Offizier, der ihn verhörte, war gebürtiger Österreicher. Als er seinen vollen Namen vernahm, fragte er ihn, ob er je in Schruns gewesen sei. Es stellte sich heraus, dass die Freundin des Offiziers niemand anderes war als Bumbys Kindermädchen Tiddy! Der Offizier beendete das Verhör und schickte ihn zur Behandlung in ein Krankenhaus. Dort kam er dann in Kriegsgefangenschaft, und seine Eltern machten sich große Sorgen um ihn. Doch er kam sechs Monate später unversehrt wieder frei.
Glauben Sie, Ernest war am Ende bewusst, was er verloren hatte?
Ja. Seine drei weiteren Ehen waren alle geprägt von Streit und Unruhe. Gegen Ende seines Lebens sehnte er sich ganz offensichtlich nach der Unschuld und der reinen Güte zurück, diesein Leben mit Hadley ausgemacht hatten. In
Paris – Ein Fest fürs Leben
kommt diese Sehnsucht auf ergreifende Weise zum Ausdruck.
Je mehr deiner Geschlechtsgenossinnen ich kennenlerne, desto höher schätze ich dich
, schrieb er Hadley im Jahr 1940. In seiner Vorstellung blieb sie unverdorben als Ideal, das ihn stets daran erinnerte, dass er das
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