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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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schmeckte, und wir klatschten wie die Waschweiber. Er war Witwer und ein liebenswerter Mann, der meine Einsamkeit erkannte.
    Mr. Minello half mir auch, meine erste Dinnerparty als verheiratete Frau vorzubereiten, zu der Sherwood Anderson und seine Frau Tennessee eingeladen waren. Kenley hatte Ernest Anderson im Frühjahr vor ihrem Zerwürfnis vorgestellt.
Winesburg, Ohio
war immer noch gut im Gespräch, und Ernest konnte kaum glauben, dass Anderson ihn treffen wollte und ihn gar bat, ein paar seiner Storys lesen zu dürfen. Anderson hielt Ernests Arbeiten für vielversprechend und wollte ihm helfen, seine Karriere in Gang zu bringen, so weit es in seiner Macht stand. Kurz darauf hatten er und Tennessee allerdings die Staaten für eine lange Europareise verlassen. Sie waren gerade wieder zurück in der Stadt, als Ernest ihn aufsuchte und das Paar zum Essen einlud. Ich war aufgeregt, die beiden zu treffen, aber auch panisch vor Angst. Unsere Wohnung war so schrecklich, wie sollte ich das nur bewältigen?
    »Gedämpftes Licht«, riet Mr. Minello, der mich zu beruhigen versuchte. »Sparen Sie an Kerzen, jedoch nicht am Wein. Und servieren Sie etwas in Sahnesauce.«
    Ich war keine begnadete Köchin, aber der Abend verlief dennoch reibungslos. Anderson und seine Frau besaßen vollendete Manieren und gaben vor, unsere schäbige Wohnsituation überhaupt nicht zu bemerken. Ich mochte beide auf Anhieb, besonders Anderson, der ein interessantes Gesicht hatte. Im einen Augenblick wirkte es leer und ausdruckslos – wie ein schwammiges, gewöhnliches Gesicht aus dem Mittleren Westen. Im nächsten verfügte es plötzlich über eine dramatische Intensität, die ihn wie unter Strom gesetzt erscheinen ließ. Als er während des Essens begann, von Paris zu sprechen, wirkte er geradezu elektrisierend.
    »Was ist mit Rom?«, fragte Ernest und erzählte ihm von unserem seit langem bestehenden Plan, nach Italien zu ziehen.
    »Rom hat sicher auch seinen Reiz«, gab Anderson zu und blies Rauch über seinen leeren Teller. »La dolce vita und das alles. Was könnte man an Italien auszusetzen haben? Aber wenn du ernsthaft arbeiten willst, musst du nach Paris gehen. Dort sind derzeit alle wahren Schriftsteller. Der Wechselkurs ist gut. Zu jeder Uhrzeit ist etwas los. Alles ist interessant, und jeder hat etwas beizutragen. Paris, Hem. Denk darüber nach.«
    Als wir am Ende jenes Abends in unser kaltes Bett geklettert waren und uns eng aneinander gekuschelt hatten, um unsere Füße und Hände zu wärmen, fragte Ernest mich, was ich von der Idee hielt.
    »Können wir uns denn so schnell umentscheiden? Wir planen das nun schon so lange.«
    »Rom wird immer da sein, wenn wir noch hinwollen – aber Paris … Ich will auf dem Laufenden sein. Anderson weiß Bescheid, und wenn er meint, Paris sei der richtige Ort für uns, dann sollten wir es zumindest in Betracht ziehen.«
    Wir hatten immer noch so wenig Geld, dass die Überlegung rein hypothetisch zu sein schien, doch dann erhielten wir die Nachricht, dass Arthur Wyman, der Bruder meiner Mutter, verstorben war und mir achttausend Dollar vererbt hatte. Er war schon lange krank gewesen, dennoch kam das Geschenk völlig unerwartet. Diese Geldsumme war ein Vermögen für uns und sicherte uns über Nacht unsere Reise nach Europa. Sobald wir davon hörten, suchte Ernest Sherwood in seinem Büro in der Stadt auf und berichtete ihm, wir seien stark an Paris interessiert. Ob er wohl irgendetwas tun könnte, um uns den Weg zu ebnen? Wohin sollten wir uns wenden? In welche Gegend sollten wir ziehen? Wie sollten wir das ganze Unternehmen angehen?
    Anderson beantwortete ihm jede einzelne seiner Fragen. Montparnasse sei der beste Stadtteil für Künstler und Schriftsteller.Bis wir eine Wohnung gefunden hätten, sollten wir im Hôtel Jacob in einer Seitenstraße der Rue Bonaparte wohnen. Es sei sauber und bezahlbar und dort sowie in unmittelbarer Umgebung seien viele amerikanische Intellektuelle zu finden. Zuletzt ging Anderson an seinen Schreibtisch und setzte Empfehlungsschreiben an mehrere der berühmten Auswanderer auf, mit denen er sich auf seiner Reise angefreundet hatte, darunter Gertrude Stein, James Joyce, Ezra Pound und Sylvia Beach. Alle waren oder würden bald Größen der Kunst- und Literaturszene sein, was uns zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht bewusst war. Wir wussten nur, dass Andersons Briefe unverzichtbare Türöffner sein würden. Ernest dankte ihm für alles und eilte nach Hause, um mir seine

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