Madame Lotti
Blätter frisches Basilikum hinzu.
«Jetzt ja nicht mehr kochen, sonst gibts keine Sauce, sondern ein Omelett.»
Und bei den in Salzwasser gekochten Penne hat der Fachmann auch gleich noch einen Tipp: «Teigwaren, welcher Art auch immer, müssen, nachdem sie al dente gekocht worden sind, mit heissem Wasser gut gespült werden. Nicht nur, damit sie nicht kleben, sondern auch, weil sie – dank der abgespülten Stärke – weniger dick machen.»
Nun, die fertigen Penne carbonara sind so unbeschreiblich lecker, dass ich nur schon bei der Erinnerung daran Fett ansetze.
Meine Zeit in Kairo bringt mir aber nicht nur den Vater, Koch, Automechaniker, Chef und Organisator, sondern auch den Ehemann von Lotti näher. Auf die Frage, ob er mir die Geschichte seiner Liebe erzählen mag, meint er, nachdem er sich wieder und wieder nachdenklich über den Bart gestrichen hat:
«Es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Es war zuallererst wohl Zufall, dann jedoch war es ganz offensichtlich Vorhersehung, und schliesslich wurde es Schicksal. Lotti war sechzehn und Au-pair-Mädchen in Genf, ich war sechs Jahre älter und studierte dort Maschineningenieur. Wir frequentierten dasselbe Café, kennen gelernt haben wir uns, weil der einzige freie Stuhl im Lokal einer an ihrem Tischchen war. Wir kamen ins Gespräch. Ihr Französisch war damals noch sehr holprig. Meine Kollegen rieten mir, mich nicht allzu lange mit einer Deutschschweizerin aufzuhalten. Ich tat es doch. Mich faszinierten nicht ihre hüftlangen blonden Haare, auch nicht ihre Augen, die die Farbe von Kornblumen haben. Es war die Art, wie ihre Gesichtszüge all das auszudrücken vermochten, was sie nicht sagte.
Ich fühlte mich wohl bei ihr, fühlte, dass sie mich ebenso gerne wieder sehen würde wie ich sie. Ich fragte ihre Au-pair-Familie, ob man einverstanden wäre, wenn Lotti und ich uns ab und zu träfen. Man war. An den Tagen, an denen Lotti Ausgang hatte, brachte ich sie jeweils mit dem letzten Bus nach Hause. Dass ich danach nicht mit dem für mich viel zu teuren Taxi zu meiner fünf Kilometer weit entfernten Baracke, die ich mit italienischen Gastarbeitern teilte, fuhr, sondern den Weg bei Regen, Schnee und Eis zu Fuss zurücklegte, verschwieg ich ihr. Wir sahen uns so oft wie möglich, was angesichts der Tatsache, dass ich mir mein Studium selbst verdienen musste und erst noch den Anspruch hatte, einer der Besseren zu sein, nicht allzu oft gewesen wäre, wenn Lotti nicht so intensiv meine Nähe gesucht hätte. Ich genoss es, dass sie bei jedem Spiel des Fussballclubs Meyrin, welcher mich finanziell unterstützte, weil ich als Linksfüsser ab und zu ein Überraschungsgoal schoss, dabei war. Freute mich, wenn sie, währenddem ich über Büchern brütete, in meinem Zimmer sass und las. Sogar während meiner Nachtschicht an der Tankstelle wusste ich sie in meiner Nähe. Unsere Liebe entwickelte sich rasch, wurde stärker und stärker, irgendwann wusste ich, Gefühle in dieser Intensität habe ich noch nie empfunden.
Dann starb mein Vater, und ich musste Lotti mitteilen, dass ich nach Tunesien zurückkehren müsste, um für meine Mutter da zu sein. Weil Lotti auf ihre Lehre verzichtete und mir half, meine Mutter von der Schweiz aus finanziell zu unterstützen, konnte ich bleiben.
Wir waren bereits sechs Monate zusammen, als ich ihre Eltern kennen lernte. Lotti hätte den Augenblick vielleicht noch etwas länger hinausgezögert, aber ihre Mutter wollte ‹Jimi Hendrix› – Lotti hatte ihr von meiner Ähnlichkeit mit ihm erzählt – kennen lernen und handelte. Es war Weihnachten, und Lotti fuhr über die Festtage nach Hause. Ihre Mutter rief mich im Geheimen an und fragte mich, sie konnte ein bisschen Französisch, ob ich Heiligabend mit ihnen verbringen wolle, sie habe vor, Lotti, die mich unendlich vermisse, zu überraschen. Ich nahm den Zug nach Zürich und freute mich auf mein ‹Blind Date› mit meiner zukünftigen Schwiegermutter. Sie stehe, sagte sie, mit einem Schirm am Arm und in einem langen dunklen Mantel am Gleisende, direkt neben der Lokomotive. Es war dann aber sie, die mich – kaum war ich ausgestiegen – an meinen langen Haaren erkannte und mir schon von weitem lachend zuwinkte. Wir nahmen den Regionalzug nach Dielsdorf und stiegen dort ins Postauto Richtung Regensberg, wo Lottis Familie wohnte. Die Mutter schmuggelte mich ins Haus und rief nach Lotti, bat sie, ihr zu helfen, die Einkäufe die Treppe hochzutragen. Lotti erschien oben an der Treppe,
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