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Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Titel: Mademoiselle singt den Blues - mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Kaas
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jede Bewegung als verdächtig gilt. Dieser Ausdruck einer strengen Ordnung und erdrückenden Macht erstickt auch mich. Ich will das Publikum sehen. Mehr noch, ich will sehen, wie es in Bewegung kommt, mit mir mitschwingt und -tanzt. Das Ganze bringt mich so sehr auf, dass ich die Privilegierten in Uniform einfach umgehe. Ich singe hinter ihnen, aber mit dem Gesicht zum Volk. Jetzt müssen sie sich den Hals verrenken, um mich zu sehen. Ich missachte nicht nur die Regeln, ich fordere sie auch noch heraus, indem ich hinter ihrem Rücken singe. Im Land der Paranoia und der Spionage begehe ich gerade eine Riesendummheit. Sie sind derart wütend, dass sie das Konzert am darauffolgenden Tag absagen wollen.
    Â 
    Ich vergesse nicht, woher ich komme. Aus dem Volk. Dass ich ein Bergarbeiterkind bin, das Erfolg hatte, gefällt den Bewohnern der Sowjetunion, es weckt Träume in ihnen. Das erklärt, warum mir so viele applaudieren, wenn sie mich irgendwo sehen. Aber es ist nicht nur das. Es ist auch meine so besondere Stimme und diese irre Energie, die ich auf sie übertrage, wenn ich auf der Bühne stehe. Sie kennen meine Geschichte und, was mich noch mehr erstaunt, meine Lieder. Sie können sich meine Platten ja nicht so leicht beschaffen wie die Leute anderswo. Ihnen bleibt nur der Schwarzmarkt, wenn sie an Kulturgüter aus dem Westen kommen wollen, denn die sind nicht frei verkäuflich. Es gibt kleine Läden, in denen leere Plattenhüllen mit der Kopie der Hüllen westlicher Platten
hängen. Wenn ein Kunde danach fragt, holt der Verkäufer das gewünschte Album unauffällig aus dem Hinterzimmer und fertigt binnen weniger Minuten eine Kopie auf Kassette an. Und wenn ich dann höre, wie sie mitsingen und den französischen Text auswendig wissen, bin ich gerührt bei dem Gedanken an die List und den Erfindungsreichtum, die sie einsetzen mussten, um meine Platten hören zu können.
    In meinem Aussehen ähnele ich ihnen. Auch ich komme aus dem Osten, zwar dem Osten Frankreichs, aber immerhin aus dem Osten! Und auch ich habe etwas Slawisches. So blond, mit blauen Augen, weißer Haut und hohen Wangenknochen, scheine ich, wie sie, aus einem Gletscher zu stammen. Die Männer dieses Landes träumen gern von mir, wie mir von vielen erzählt wurde, und das kann ich offen gestanden gar nicht oft genug hören! Ich bin ihr Typ. Als ich später nach Russland zurückkam, fielen mir zufällig Autobiografien von Soldaten der sowjetischen Armee in die Hände, in denen auch ich vorkam. In diesen Büchern wurde ich als eine Art Fantasiebild der sexy Frau geschildert, die sie gern besessen oder geheiratet oder beides hätten. Es hat mich sehr amüsiert und mir vor allem verdeutlicht, was ich für sie bedeuten mochte. Das Symbol der idealen Frau. Wenngleich mit einigen Fehlern!
    Zugleich war ich für das weibliche Publikum die Verkörperung des französischen Schicks. Auf meiner ersten Tournee trage ich Abendkleider und Herrenanzüge von Karl Lagerfeld, ich bin also sehr französisch. Und sie lieben Frankreich und die Franzosen. Ich erfahre, dass sie in der Schule mithilfe meiner Songtexte Französisch lernen. Ich bin stolz darauf, eine Botschafterin der französischen Sprache zu sein. Beim ersten Mal, in Moskau, staune ich über ihre Sprachkenntnisse
und die Leichtigkeit, mit der sie sich verständlich machen. Vor allem natürlich beeindruckt sie, dass ich da bin, obwohl ich von der anderen Seite der Mauer komme. Sie werden schon lange von niemandem mehr besucht. Die Künstler wagen es nicht, und die Produzenten wollen kein Risiko eingehen und bleiben lieber auf bekanntem Territorium.
    Hier zu singen, ist etwas Außergewöhnliches, und das weiß man anscheinend zu schätzen. Das Publikum dankt es mir jedes Mal, indem es kommt. Vier Konzerte in Moskau, vier in Leningrad — und alle ausverkauft! Ihr Enthusiasmus verblüfft mich. Russland ist kalt und grau, doch die Russen sind wie die Sonne. Unglaublich warmherzig und freundlich. Später wird man mir in allen Regionen dieses riesigen Landes einen fürstlichen und freudigen Empfang bereiten. Jetzt, in Leningrad und Moskau, geben mir kleine Mädchen in traditionellen Trachten Küsschen und kleine Geschenke und bieten mir außerdem eine Willkommensvorstellung, die meistens aus Volkstänzen besteht. Jedes Mal bin ich gerührt, jedes Mal erstaunt mich dieser liebevolle Umgang

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