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Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Titel: Mademoiselle singt den Blues - mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Kaas
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Mann The Lady of the Lake . Eine kurze Liebe, die Magie einer vergänglichen Liaison. Auch so geschieht und schreibt sich Liebe ein, auf einer einzigen Seite, für sehr kurze Zeit, ohne einen anderen Einsatz als den des Augenblicks. Für mich eine Weise, den Zwängen der Tournee zu entkommen und, wenn auch nur flüchtig, wieder Küsse und Zärtlichkeiten zu spüren.
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    Noch während der Tournee stimme ich einem Wechsel der Plattenfirma zu. Schon lange war uns klar, dass meine Karriere, wenn wir bei der alten Firma blieben, nicht genug Entwicklungsmöglichkeiten hatte. Denn die Verantwortlichen haben kein Interesse am internationalen Markt und wollen sich dort nicht engagieren. Also gehe ich mit dem Kopf durch die Wand, ich weiß, wie groß das Risiko für mich ist, aber
ich bin davon überzeugt, dass ich alles auf eine Karte setzen muss, um meine Freiheit zu erreichen. Nach vielen Diskussionen bitte ich Richard, mich von meinen alten Verträgen entbinden zu lassen. Das ist offensichtlich nicht so einfach …
    Nach achtzehn Monaten grimmiger Auseinandersetzungen finden wir eine Lösung und können uns endlich durchsetzen. Ich weiß, dass ich nun wieder die Kontrolle über meine Karriere habe. Von nun an bin ich die Produzentin meiner eigenen Platten. Mir ist klar, welches Privileg es für einen Künstler bedeutet, das Feld des Möglichen erweitern zu können. Weiterzugehen. Grenzen zu überschreiten.
    Die Tournee führt mich schließlich nach Hause, nach Forbach. Ich gebe ein Konzert in einem Zelt in meiner Geburtsstadt, wo ich, wie ich weiß, von allen erwartet werde. An diesem Abend habe ich Angst. Dabei kenne ich diesen Ort und diese Leute, die sich drängen, um einen guten Platz zu ergattern, in- und auswendig. Ich sollte mich wohlfühlen hier, wo man mich hat aufwachsen sehen und wo man natürlich auch stolz auf mich ist. Doch nein. Ich habe fürchterliches Lampenfieber. Dass alle mich kennen, ist ein Handicap, als würden sie nur meine Fehler sehen, als könnten sie nicht die Künstlerin Patricia Kaas sehen, als würden sie mich noch als kleines Mädchen betrachten. Ich versuche, mich zu konzentrieren und zu vergessen, dass da unten meine Nachbarn sind, meine Familie, der Bürgermeister, die ganze Gegend und meine Freunde. Ich denke daran, dass dies eine Benefizveranstaltung ist. Die Einnahmen gehen an eine Stiftung, die Blindenhunde ausbildet. Von diesem Gedanken gerührt, singe ich. Und sie applaudieren, ebenfalls gerührt. Papa ist auch da, er ist stolz auf mich.

    Â 
    Der Erfolg meiner ersten beiden Alben — sie wurden jeweils weltweit von mehreren Millionen Menschen gekauft  – und die Preise, die man mir verliehen hat  – die Victoires, ein World Music Award, ein Bambi in Deutschland  – bringen immer mehr Anfragen mit sich. Jetzt lädt man mich ein, für gute Zwecke und für bestimmte Ereignisse zu singen wie zum Beispiel dieses Tschernobyl-Gedächtniskonzert 1993.
    Zuerst sehe ich das Dorf. Wenn man an Tschernobyl denkt, sieht man zuerst das Kernkraftwerk vor sich, man denkt an den schrecklichen Unfall und an die Opfer, aber man denkt nicht an das Dorf. Es ist düster und verfallen, es riecht nach verlassenem Leben. Es schreit sein Nichts heraus. Das Grauen ist noch frisch. Und der Fluss, der an den Reaktoren vorbeifließt, scheint die schrecklichen Erinnerungen und Folgen der Vergangenheit mit sich zu tragen. Das immer noch nicht stillgelegte Kraftwerk liegt unter den Schloten, die aufragen wie eine schon wahr gemachte Drohung.
    In dem Dorf sind heute viele Menschen zu einer Würdigung zusammengekommen, doch es ist, als wäre niemand da, als wäre der Ort nicht belebt, als wäre er nicht zu beleben. Als könnte man hier nur stumme Stimmen hören. Das Schweigen und die Atmosphäre von innerer Sammlung haben etwas Eisiges. Ich würde sie so gern aufwärmen. Als ich damit anfange, habe ich das Gefühl, in die Leere all dieser unbewohnten Häuser zu stürzen. Anfangs lässt mich die kühle Atmosphäre frösteln. Doch nach und nach bringen mich gerade diese wie zu Eis erstarrten Emotionen ringsum dazu, mit noch mehr Wärme, mit noch mehr Intensität zu singen. Ich zerreiße die Stille der Erinnerung an eine Katastrophe, die gestern mit Menschenleben bezahlt wurde und heute mit schrecklichen Krankheiten, eine Tragödie mit

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