Madita
der Nase. Hol sie raus! Ich will sie da nicht drin haben.«
»Oh«, sagt Mama, »oh!«
Mama hat heute ihr großes Kopfweh, da möchte sie nur still im 68
Bett liegenbleiben und die Augen zumachen, aber nicht Erbsen aus Lisabets Nase ausgraben.
»Ich will sie da nicht drin haben«, schreit Lisabet. »Hol sie raus!«
Mama nimmt eine Haarnadel und versucht, die böse Erbse mit List und Tücke herauszuholen. Sie stochert und stochert, aber es nützt nichts, die Erbse steckt da, wo sie steckt.
»Madita, du mußt mit Lisabet zu Onkel Berglund gehen«, sagt Mama. »Er wird sie schon herausbekommen.«
»Bestimmt?« fragt Lisabet.
»Bestimmt«, sagt Mama. Dann legt sie sich wieder hin, der Kopf tut ihr so weh.
»Los, Madita, wir machen ganz schnell«, sagt Lisabet. Sie weiß nicht, wie schnell Wicken wachsen, und es wäre ja zu schrecklich, wenn sie plötzlich hervorgeschossen kämen,
während sie beide noch auf der Straße sind. Lisabet hat Angst, daß die Leute sie dann auslachen.
Aber Madita tröstet sie. Wenn nun wirklich eine Wicke heraus-wachsen sollte, dann wäre das ja auch kein so großes Un-
glück.
»Dann knipst du sie einfach ab, so daß es keiner merkt, und dann steckst du sie dir ins Knopfloch«, sagt Madita.
Und Lisabet gehört nicht zu den Leuten, die sich wegen so einer Kleinigkeit, wie es eine Erbse ist, lange grämen. Jetzt ist sie auf dem Weg zum Doktor, damit ist die Erbse schon so gut wie heraus, und schließlich passiert es nicht alle Tage, daß sie mit Madita in die Stadt gehen darf.
»Das macht bestimmt Spaß«, sagt Lisabet. »Komm, Madita!«
Bis zu Onkel Berglund ist es ein weiter Weg. Er wohnt mitten in der Stadt am großen Marktplatz, und Birkenlund liegt weit draußen am Stadtrand.
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Madita hält Lisabet fest an der Hand. Mama würde ihre helle Freude daran haben, wenn sie sähe, wie ordentlich die beiden da gehen.
»Du machst schon Dummheiten«, sagt Madita und kommt
sich groß und erwachsen vor. Sie hat ganz und gar vergessen, wer in der Familie eigentlich die meisten Dummheiten macht.
Aber bestimmt macht es Spaß, in die Stadt zu gehen, das
findet Madita auch, und Lisabet kommt um weitere Strafpre-digten herum.
Die Straße liegt voll von trockenem Laub. Wenn man es im
Gehen vor sich herschiebt, raschelt es herrlich. Madita und Lisabet pflügen sich durch die Laubhaufen und rascheln nach Kräften mit dem Laub. Sie schlenkern die Arme und bekommen ganz rote Backen dabei. Die Luft ist frisch und kühl, die Blumen in den Gärten sind schon schwarz und verwelkt. Ein Trost für Lisabet. Da sieht man ja, daß die Zeit für Blumen vorbei ist, Wicken werden also nicht mehr wachsen.
»Eigentlich könnten wir doch Linus-lda guten Tag sagen«,
schlägt Madita vor, »Zeit haben wir massenhaft.«
»Ja, massenhaft«, bestätigt Lisabet. Sie war schon lange nicht mehr bei Linus-lda. Die Erbse kann ruhig noch eine Weile in der Nase steckenbleiben.
Madita und Lisabet mögen Linus-lda gern, und beinah noch
lieber mögen sie ihr Häuschen. Sie hat das allerkleinste Haus in der Stadt. Die Decke im Zimmer ist so niedrig, daß Linus-lda gerade noch aufrecht stehen kann. Nur ein winziges Zimmer-chen hat sie und eine winzige Küche. Aber hübsch ist es dort.
Vor den Fenstern hat Linus-lda Blumen, und an der Wand über ihrem Bett hängen zwei wunderbare, schaurige Bilder, und
dann hat sie noch einen Kamin, und darin brät sie für Madita und Lisabet immer Äpfel. Deshalb wäre es doch dumm, nicht 70
bei ihr hineinzuschauen, wenn man schon mal da vorbei-
kommt.
Madita und Lisabet wollen gerade anklopfen, da sehen sie, daß Linus-lda einen Zettel an ihre Tür gemacht hat. »Bin gleich wieder da«, steht darauf. Linus-lda ist also nicht zu Hause.
Zum Glück haben Madita und Lisabet es nicht so eilig, sie können gut und gern ein Weilchen warten. Und die Tür ist nicht abgeschlossen, man braucht nur hineinzuspazieren.
Urgemütlich ist es bei Linus-lda. Sie wärmen sich an der Glut im Kamin und gucken sich die schaurigen Bilder über Linus-Idas Bett an. Auf dem einen ist ein feuerspeiender Berg. Madita und Lisabet gruselt es, als sie sehen, wie die armen Menschen auf dem Bild rennen müssen, um sich vor dem
Feuer zu retten. Ein Glück, daß es in Schweden keine feuerspeienden Berge gibt. Das zweite Bild ist nicht weniger schaurig. Darauf sieht man lauter Männer, die in einem Fluß ertrinken. Oh, wie bange sie sind und wie gern sie an Land kommen möchten! Aber der Fluß braust so wild
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