Madonna
aß einen Bissen, aber plötzlich war ihm die Kehle wie zugeschnürt. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und ein Schauer überlief ihn erst eiskalt, dann glühend heiß.
»Geht es Euch gut?«, erkundigte sich Thomas. »Ihr seht plötzlich ganz blass aus!«
Richard warf die Serviette auf den Tisch und erhob sich. »Ich muss etwas Dringendes erledigen«, sagte er nur. Dann verließ er den Raum. Draußen auf dem Flur kam es ihm vor, als habe die Erde angefangen zu schwanken, aber als er sich an der Wand abstützte und einmal tief Luft holte, verging dieses Gefühl. Dafür überwältigte ihn ein Anflug von bitterem Humor. Da schien er endlich die Anzeichen der geheimnisvollen Vergiftung überwunden zu haben, nur um jetzt ein Fieber zu entwickeln.
Er würde zu Katharina gehen, damit sie ihm etwas dagegen gab, dachte er. Ein wohliges Gefühl machte sich in seinem Magen breit bei diesem Gedanken.
Aber zunächst musste er etwas anderes tun. Er musste sich vergewissern, dass das, was Thomas ihm gerade erzählt hatte, auch der Wahrheit entsprach. Er nahm Hut und Mantel vom Haken und verließ das Haus.
Voller Hoffnung machte er sich auf den Weg zum Lochgefängnis.
24. Kapitel
»Ich muss zum Rathaus!« Katharina starrte noch immer in die Richtung, in der Bürgermeister Silberschläger verschwunden war.
»Was hast du vor?« Hiltrud hatte die Arme um sich geschlungen und schien sich an sich selbst festzuhalten. Auf ihren Unterarmen konnte Katharina eine Gänsehaut sehen.
»Tobias ist nicht der Mörder!« Sie war sich ganz sicher. Sie wusste zwar nicht, was geschehen war, dass man ihn dieser Taten wegen hinrichten wollte, aber es war völlig abwegig, dass er etwas damit zu tun hatte.
»Woher willst du das wissen?«
Fassungslos ob dieser Frage starrte sie Hiltrud an.
Die hob beschwichtigend die Hände. »Schau nicht so!«
»Der Mord an Gertrud ist in der vorletzten Nacht geschehen«, sagte sie. »Da war Tobias in seiner Kammer. Er kann es nicht gewesen sein!«
Hiltrud schüttelte den Kopf. »Er könnte das Haus heimlich verlassen haben.«
Katharina spürte, wie sich hinter ihrer Stirn Zorn zusammenzog. Sie blinzelte einmal, dann ein zweites Mal. »Hat er aber nicht!«, giftete sie.
Da ließ Hiltrud den Kopf sinken. »Ist ja schon gut«, murmelte sie. »Ich mache mir ja auch Sorgen!«
In diesem Moment verpuffte jeglicher Zorn und machte einer Traurigkeit Platz, die Katharina wie ein bleierner Mantel einhüllte. »Ich weiß.« Sacht legte sie eine Hand auf Hiltruds Unterarm. »Tust du mir einen Gefallen und weckst Donatus? Sag ihm, was geschehen ist, und schick ihn zum Rathaus.«
»Und du?«, fragte Hiltrud. »Was willst du tun?«
Katharina griff nach ihrem Mantel. »Ich laufe schon mal vor.«Eigentlich hatte Katharina vorgehabt, ins Rathaus zu gehen und mit dem Stadtrichter persönlich zu reden, aber so weit kam es nicht. Als sie den Großen Marktplatz überquerte, sah sie, dass sich vor dem weitläufigen Gebäude eine Menschenmenge gebildet hatte. Die Leute starrten erwartungsvoll auf die Rathaustür und tuschelten aufgeregt miteinander. Katharina gesellte sich hinzu.
»Sie haben den Dolchmörder gefasst«, hörte sie jemanden mit heller Stimme erzählen. »Und es sieht ganz so aus, als hätte der Rat diesmal schnellen Prozess gemacht. Gleich bringen sie den Kerl raus – und karren ihn zum Rabenstein.«
Tatsächlich öffnete sich in diesem Moment die Rathaustür und ein kräftiger Mann trat ins Freie.
»Das ist der neue Stadtrichter!«, erklärte die helle Stimme. »Isidor Flechner. Sein Bruder ist Chorherr an St. Sebald!«
Dem Stadtrichter folgte Gernot Silberschläger, der als Lochschöffe für die Befragung des Gefangenen zuständig gewesen war.
»Warum ist es nur ein Lochschöffe?«, hörte Katharina eine Frau fragen. »Waren es nicht früher zwei?«
»Du warst länger nicht bei einer Hinrichtung, was?« Der Besitzer der hellen Stimme lachte leise.
»Das letzte Mal bei Joachim Gunther. Damals waren es noch zwei Lochschöffen!«
»Das liegt daran, dass der Rat nach dem Großen Wahnsinn einige Dinge verändert hat. Seitdem gibt es nur noch einen Lochschöffen, dafür ist der nicht mehr nur wochenweise im Amt, sondern wird auf mehrere Jahre vereidigt. Er …«
Den Rest hörte Katharina nicht mehr, denn die Geschehnisse an der Rathaustür forderten jetzt ihre Aufmerksamkeit. Als Nächstes trat ein Priester in vollem Ornat aus dem Rathaus. Ihm folgten zwei Stadtbüttel, die jemanden zwischen sich
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