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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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nicht?«
    »Ich bin an allem schuld!« Seine Stimme war jetzt sehr leise. »Das hat er immer wieder gesagt. Ich bin des Teufels. Schon lange. Es ist nur richtig, dass es so endet.«
    Der Karren hielt kurz an, und plötzlich löste sich Donatus aus der Menschenmenge und trat neben Katharina. »Hiltrud hat mir gesagt, was geschehen ist. Warum haben sie Tobias …«
    »Er soll der Dolchmörder sein!«
    Ungläubig riss Donatus die Augen auf. »Tobias? Niemals!« Er wollte etwas hinzufügen, aber dann schüttelte er nur stumm den Kopf. In seiner Miene rangen Entsetzen, Verzeiflung und Resignation miteinander. Einmal streifte sein Blick den Büttel, der neben dem Karren herging, und seine Lippen öffneten sich, als wolle er etwas gestehen. Dann jedoch presste er sie aufeinander, dass sie schneeweiß wurden.
    Der Karren setzte sich schaukelnd wieder in Bewegung und verließ den Großen Marktplatz in Richtung Pegnitz. Katharina wollte wieder an seine Seite gelangen, doch die Büttel hatten jetzt genug von ihrem Gespräch mit dem Delinquenten. Mit einem unmissverständlichen Wink bedeutete einer von ihnen ihr, zurückzubleiben.
    Zusammen mit Donatus blieb sie stehen, und der Karren rumpelte ohne sie weiter. Auf einmal war ihr eiskalt.
    Seite an Seite mit einem Predigermönch ging Gernot Silberschläger an ihr vorbei. Sein Blick streifte sie, sie glaubte, Hohn in seiner Miene zu sehen, aber sie war zu verwirrt und angespannt, um sich Gedanken über den Grund dafür zu machen. Sie hatte schon den Mund geöffnet, um den Lochschöffen anzusprechen, als sich ihr eine Hand von hinten auf die Schulter legte.
    »Nicht!«, sagte eine vertraute Stimme.
    Sie wirbelte herum.
    Vor ihr stand Richard.
    Der Zug kam ihm entgegen, kaum dass er die Tuchgasse verlassen und sich in Richtung Rathaus gewandt hatte. Richards Blick erfasste die Einzelheiten innerhalb weniger Augenblicke: den jungen Mann auf dem Karren, den Stadtrichter, Silberschläger als Lochschöffe. Priester und Mönche. Und ungefähr zwanzig Büttel. Und die Frau, die neben dem Karren herlief und versuchte, mit dem Verurteilten zu reden.
    Katharina!
    Er beeilte sich, zu ihr zu kommen, und er legte ihr die Hand genau in dem Moment auf die Schulter, in dem sie Bürgermeister Silberschläger entdeckt hatte und auf sich aufmerksam machen wollte.
    Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Augen waren groß und dunkelgrau, und Richard konnte die Tränen sehen, die sich hinter ihren Liderngesammelt hatten. »Ich kann nicht glauben, dass er es war«, wisperte sie, während der Karren weiterrollte und sie ihm folgten.
    Richards Blick wanderte zu dem jungen Mann auf dem Karren. Er war schmächtig, konnte kaum fünfzehn Jahre zählen. Sein Gesicht war fahl, dennoch wirkte er gefasst.
    Richard schaute Katharina an. »Du kennst ihn«, sagte er.
    Katharina nickte. Die Tränen lösten sich aus ihren Wimpern und rannen ihr nun über beide Wangen. Mit einer hastigen Geste wischte sie sie weg. »Sein Name ist Tobias.« Sie blinzelte. »Er wohnt bei mir. Er kann es nicht gewesen sein, Richard!«
    Richard packte sie und zwang sie stehenzubleiben. »Was macht dich so sicher?«
    »Himmel, er … ist noch ein Kind!«
    Noch einmal betrachtete er den Jungen auf dem Karren, der sich jetzt langsam von ihnen entfernte. Katharina hatte recht, Tobias war wirklich noch sehr jung. Aber reichte das allein aus, um ihn für unschuldig zu halten? Ihm nicht, stellte Richard fest. Er hatte schon zu viel Leid und Wahnsinn erlebt, um daran zu zweifeln, dass auch ein so junger Kerl derlei Morde begehen konnte. »Ich habe gehört, was passiert ist«, sagte er leise. »Silberschläger war der Patrizier, der letzte Nacht überfallen wurde. Meinst du nicht, er hat Tobias bei der Tat gesehen?«
    Katharina schüttelte den Kopf. Wieder. Und wieder. Es war eine verzweifelte, unnachgiebige Geste, so als weigere sie sich mit ihrer ganzen Kraft, es zu glauben.
    Er lauschte in sich hinein. Und er? Wollte er nicht mit derselben Verzweiflung, mit der sie es verneinte, daran glauben, dass es wahr war? Weil diese Morde dann nicht mehr zwischen ihnen stehen würden!
    Er erkannte, dass es so war, und er schämte sich dieser Empfindungen. Nachdenklich blickte er sich um, suchte nach einem Weg, wie er Katharina helfen konnte, Tobias’ Leben zu retten. Doch gleichzeitig wusste er, dass es unmöglich war. Man hatte den Jungen rechtskräftig verurteilt. Es gab Zeugen für seine Tat. Er hatte gestanden, bei allen Heiligen!
    Wenn sie Tobias jetzt noch

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