Madonna
müssen, wenn er nicht so blind, so unendlich vertrauensselig gewesen wäre.
Donatus spürte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich. »Herr im Himmel!«, krächzte er, als er endlich zu begreifen begann. Er griff nach dem Dolch an seinem Gürtel, dann jedoch erkannte er, dass er dies hier allein nicht würde durchstehen können.
Er brauchte dringend Hilfe! Und es gab nur einen Mann, der ihm in diesem Moment einfiel.
»Öllinger«, murmelte er.
Dann rannte er los.Sie waren kaum am Ende der Lochgasse angekommen, als Richard Arnulf wütend anfuhr. »Warum hast du mich eben nicht mit Silberschläger reden lassen?«
Der Nachtrabe verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe dich davon abgehalten, eine Dummheit zu machen«, sagte er ruhig.
Ärger rann durch Richards Adern. »Ich …«, wollte er widersprechen, aber da blitzte es in Arnulfs Augen so zornig auf, dass er mitten im Satz verstummte.
»Wenn ich dich nicht unterbrochen hätte«, fauchte der Nachtrabe ihn an, »dann hättest du dem Kerl von deiner Begegnung mit Gertrud erzählt, oder?«
Richard nickte. Tatsächlich hatte er das vorgehabt. Er hatte dem Lochschöffen sagen wollen, dass der Mörder ein Mann war.
»Du bist so ein Narr, Richard! Du hast keine Ahnung, worum es hier wirklich geht, oder?«
In Richards Brust ballte sich der Ärger nun zu kalter Wut. »Ach ja? Und du bist hier der Erleuchtete oder was? Wofür hältst du dich eigentlich?«
Da lenkte Arnulf ein. Er fuhr sich mit der Zunge über die Schneidezähne, dann sagte er leise: »Für jemanden, der hingeschaut hat, während du dich auf dem Rabenstein um Katharina kümmern musstest.«
Scham spülte jeglichen Ärger fort. »Ich … Herr im Himmel!« Richard holte tief Luft. Die Anspannung darüber, dass Katharina dort unten in diesem elenden Loch saß, lag wie ein Gewicht auf seinen Schultern, machte ihn reizbar, ungeduldig. Er musste sich zusammennehmen. »Was hast du gesehen?«, fragte er.
»Ein abgekartetes Spiel.« Arnulf entflocht die Arme wieder, seine Rechte legte sich auf den Schwertknauf. »Silberschläger und dieser Inquisitor, dieser Kramer, stecken unter einer Decke. Und ich fresse einen Besen, wenn es Kramer wirklich allein um Hexerei geht.«
»Er ist der Autor des Hexenhammers«, sagte Richard. »Es ist seine Profession, Hexen zu jagen.«
»Ich weiß. Aber trotzdem: Dem geht es nicht allein darum!«
Richard verstand nicht so recht, worauf sein Freund hinauswollte. »Sondern?«
»Das weiß ich nicht. Aber glaub mir: Ich erkenne Rachsucht, wenn ich sie sehe. So, wie dieser Kramer Katharina angestarrt hat, hat erirgendwelche persönlichen Gründe, sie dort unten einzusperren. Ich fürchte, wenn wir uns nicht sehr beeilen, dann steht Katharina eine höchst unangenehme Nacht bevor.«
In Richards Verstand überschlugen sich die Bilder dessen, was Männer wie der Inquisitor und Silberschläger mit Katharina anstellen konnten. In seinen Ohren rauschte es. Wieder musste er sich an der Wand abstützen. Er durfte jetzt auf keinen Fall schlappmachen! »Wir müssen sie da schleunigst rausholen!«, sagte er.
»Sag ich ja! Aber wie?«
»Hartmann Schedel«, murmelte Richard. »Er ist Ratsmitglied, und er kennt Katharina. Er wird auf unserer Seite sein – wir müssen zu ihm …«
Doch Arnulf schüttelte den Kopf. »Auch Schedel kann vor morgen früh gar nichts tun. Frühestens morgen kann er eine Sitzung zusammenrufen und darüber beraten lassen, ob gegen Katharina Anklage erhoben wird. Es sei denn …« Er schwieg einen Moment, dann setzte er nach: »Wir präsentieren ihm den wahren Mörder.«
Richards Verstand fühlte sich an wie mit Teer verklebt. Er versuchte, Arnulf zu folgen, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. »Und dann? Sie haben Katharina wegen Hexereiverdachts eingekerkert. Es geht längst nicht mehr um die Morde!«
Arnulf kniff sich in den Nasenrücken. »Doch. Geht es. Dieser Kramer baut seine Hexenanklage darauf auf, dass Katharina hinter diesen Morden steckt. Wenn wir dem Rat den wahren Täter präsentieren und dieser geständig ist …«
»Dann ist klar, dass Katharina nichts mit der ganzen Sache zu tun hat, und der Rat wird Kramer die Hexereianklage um die Ohren schlagen.« Erleichtert nickte Richard. Das Schwindelgefühl ließ wieder nach, und er konnte die Wand loslassen. »Aber wie finden wir den wahren Mörder?«
Er war bei ihr.
Hier in der kalten Zelle, genauso wie all die vergangenen Jahre, in denen er da gewesen war, ohne dass sie es wusste. Er war
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