Madrapour - Merle, R: Madrapour
taucht ihn in den vielversprechenden Blick ihrer schwarzen Augen. Madame Edmonde beobachtetdiese schweigende Nummer voller Anerkennung. Die große Dame, wird sie denken, versteht sich besser anzubieten als jede Professionelle. Zumal Mrs. Banister, sowenig das Angebot an Eindeutigkeit zu wünschen übrigläßt, keinen Augenblick ihre hoheitsvolle Miene aufgibt.
Nach soviel Kälte in diesen warmen Luftstrom geraten, faßt Manzoni erneut Mut, wagt aber nicht, gleich wieder in die vollen zu gehen. Er sagt vorsichtig und mit der platten Höflichkeit eines wohlerzogenen kleinen Jungen, die mich bei einem Mann seines Kalibers überrascht: »Ich gestehe, daß Sie mich aus der Fassung bringen.«
»Ich?« Mrs. Banister legt ihre rechte Hand, die selbst ohne Ringe sehr hübsch ist, auf ihre linke Brust, um dadurch beide zur Geltung zu bringen, und fährt nach gebührender Pause mit klangvoller Stimme fort: »Soll das heißen, daß Sie mich rätselhaft finden?«
Robbie stößt Manzoni mit dem Ellenbogen an, aber eine Sekunde zu spät. Manzoni tappt blindlings in die Falle: er glaubt die weibliche Seele zu kennen.
»Aber ja«, sagt er beflissen und in der Gewißheit zu gefallen. »Sie sind für mich ein Rätsel.«
Mrs. Banister überläuft ein kleiner Schauer des Entzückens. Sie richtet sich auf und sagt mit einer Stimme, die starr und kalt ist wie ein Fallbeil: »Sie spielen immer die gleiche Leier.«
»Ich?«
»Mit dem Geheimnisvollen haben Sie es schon bei Michou versucht.«
»Aber erlauben Sie«, erwidert Manzoni sehr verlegen, »das ist doch nicht dasselbe.«
»Es ist dasselbe«, unterbricht ihn Mrs. Banister rücksichtslos. »Sie enttäuschen mich sehr, Signor Manzoni. Ich hatte geglaubt, Sie würden sich bei mir etwas einfallen lassen. Aber Sie benutzen bei allen Frauen den gleichen Trick. Sie haben ihn parat. Verführung vom Fließband. Ich habe, offen gestanden, mehr erwartet.«
»Lassen Sie doch«, sagt Robbie leise und gibt Manzoni erneut einen Stoß, der sich aber hartnäckig rechtfertigen will, obwohl er nur zu schweigen brauchte, um wieder Oberhand zu gewinnen.
»Sie haben mich nicht verstanden«, sagt Manzoni mit jenerHöflichkeit, derentwegen er mir etwas leid tut, weil er damit nicht ankommen wird gegen eine Frau, die unter dem Firnis der guten Manieren zynisch ist. »Bei Michou hat mich nur verwundert, daß sie immer wieder denselben Kriminalroman las.«
Von gegenüber sieht Michou ihn durch ihre Locke hindurch mit abgrundtiefer Verachtung an, sagt aber kein Wort.
»Sie sind ein schrecklicher Lügner, Signor Manzoni«, sagt Mrs. Banister mit hochmütigem Lächeln. »Michou hat Ihnen gefallen. Sie war die erste auf Ihrer Liste, und Sie haben versucht, sie einzufangen. Ohne jeglichen Erfolg.«
»Na ja, ohne jeglichen Erfolg, das dürfte nicht ganz wörtlich zu nehmen sein«, wirft Robbie hinterhältig dazwischen.
Ein Punkt für Manzoni. Aber Manzoni büßt ihn wegen seiner Wortklauberei sofort wieder ein.
»Die erste auf meiner Liste?« fragt er zweifelnd.
»Aber ja«, antwortet Mrs. Banister mit einer gleichgültigen, unverbindlichen Miene, die nichts Gutes verheißt. »Als Sie in dieser Maschine Platz nahmen, haben Sie sich umgesehen und Michou, der Stewardess und mir, einer nach der andern in dieser Reihenfolge, einen Besitzerblick zugeworfen. Das war sehr amüsant! (Sie lacht.) Was glauben Sie, ich fühle mich ziemlich geschmeichelt: Sie hätten mich ja auch übersehen können. Anderseits, wie soll ich jemals darüber hinwegkommen, daß ich nicht die erste war?« fügt sie mit niederschmetternder Herablassung hinzu.
»Aber ich mache Michou doch gar nicht den Hof«, sagt Manzoni einfallslos. »Michou ist für mich erledigt.«
»Ist für Sie erledigt?« Mrs. Banister vergißt eine knappe Sekunde lang ihre Rolle. Ihr Atem geht schneller, ihre Wimpern flattern, während sie Manzoni ansieht.
Alles in allem war sie sich ihrer also gar nicht so sicher.
Und er war gar nicht so ungeschickt.
Doch, er ist es! Denn er fühlt sich verpflichtet hinzuzusetzen: »In Wirklichkeit habe ich mich geirrt. Michou ist ein absolut unreifes Mädchen, das die Leidenschaft einer Halbwüchsigen für einen Tapergreis empfindet.«
Schweigen. Eine – obendrein sinnlose – Flegelei, die uns verwundert.
»So ein Idiot, dieser Kerl!« sagt Michou gelassen, von ihrem linken Nachbarn wegen ihrer Grobheit sofort ermahnt.
Die Locke über dem Auge, schweigt Michou zufrieden. Sie hat sich ein doppeltes Vergnügen
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