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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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– die Fußnägel rot lackiert – sieht er aus wie eine Maiwiese. Er ist offensichtlich nicht nur frei von Angst, sondern scheint an dem Gedanken, in den Tod zu gehen, sogar Vergnügen zu finden. Irgendwann nimmt er sein orangefarbenes Halstuch ab,glättet mit einer koketten, herausfordernden Gebärde die Spitzen seines Hemdkragens und sieht dabei den Inder trotzig an. Man könnte ihn für einen jungen französischen Aristokraten während der Schreckensherrschaft halten, der seinen schönen Kopf lächelnd zur Guillotine trägt.
    Der Inder sieht uns an, und an einem leichten Zittern seiner Pupille spüre ich, daß er zuschlagen wird. Obwohl er englisch spricht, jenes
high-class- Englisch
, das in seinem Munde so unerträglich klingt, wie eine Parodie, scheint seine Assistentin im voraus zu begreifen, was er sagen wird, denn ihre fanatischen Augen bekommen einen zufriedenen Glanz.
    »Ich möchte Ihnen meine Entscheidung erläutern, damit sie Ihnen nicht wie Willkür erscheint«, sagt der Inder. »Wenn Sie sie erst einmal begriffen haben«, fährt er mit verschleiertem Sarkasmus fort, »werden Sie, glaube ich, ihre Logik erkennen und sie vielleicht bereitwilliger akzeptieren, so unangenehm das für Sie sein mag.«
    Bei dem Wort »unangenehm« deutet er ein höfliches Lächeln an, wie ein Chirurg, der an seinem Patienten eine kleinere Operation ohne Narkose vornehmen wird. Er fährt fort:
    »Ich vermag nicht zu sagen, wohin der BODEN, dessen Absichten ich nicht durchschaue, Sie unter dem Vorwand einer Reise nach Madrapour bringt. Darüber weiß ich nichts. Das ist Sache des BODENS. Und natürlich auch die Ihre.«
    Er sagt das halb ironisch, halb mitleidig (aber auch sein Mitleid ist grausam), als ob er uns das Lächerliche unserer Lage bewußtmachen wollte.
    Was mich betrifft, gelingt ihm das. Ich habe den Eindruck, zu einem Insekt herabgewürdigt worden zu sein, das der Jäger achtlos unter seinem Stiefel zertritt. Ich fühle mich in einen schwindelerregenden Prozeß der Erniedrigung hineingerissen, den ich nicht zu schildern vermag. Ich sehe mich unsäglich schnell auf ein moralisches Nichts zusteuern. Man könnte meinen, daß die ganze schöne menschliche Würde, die im Verlauf so vieler Jahrhunderte zurechtgezimmert und mit Hilfe so vieler Legenden aufrechterhalten wurde, zusehends verfällt und daß allem, was unser Leben ausmacht, der Stempel der Bedeutungslosigkeit aufgedrückt wird.
    »Sie verstehen, daß ich unter diesen Bedingungen nicht die Absicht habe, mich Ihrem
Kreis
einzugliedern«, fährt der Inderfort. »Meine Absicht ist es im Gegenteil, so schnell wie möglich das
Rad
zu verlassen, an das Sie gekettet sind. Ich weigere mich, für den BODEN einen Blankoscheck zu unterschreiben und mich blindlings an das von ihm bestimmte Ziel bringen zu lassen, sofern es überhaupt ein Ziel gibt und Ihre Reise einen Sinn hat.«
    Er sieht uns an und mäßigt oder mildert dabei die Intensität seines Blicks.
    Das Mitleid in seinen Augen ist diesmal offensichtlich nicht gespielt.
    »Gentlemen«, fährt er fort, »als ich allein im Cockpit war, habe ich den BODEN aufgefordert, mich und meine Assistentin auf einem befreundeten Flughafen abzusetzen. Zur Klarstellung möchte ich sagen, daß meine Aufforderung auf zwei Hypothesen beruht: So wie Monsieur Pacaud nehme auch ich an, daß der BODEN mich gehört hat, obwohl es im Cockpit keine erkennbare Funkanlage gibt. Meine zweite Hypothese ist, daß der BODEN für Sie, die Passagiere, ein gewisses Interesse bezeigt, da er ja Ihre Reise in die Wege geleitet hat …«
    »Nichts, absolut nichts gibt Ihnen das Recht, das zu unterstellen!« sagt Blavatski mit entsetzten Augen, zitternden Lippen und zitterndem Kinn.
    Er vergißt sich so weit, daß er die Hand vom Sessel hebt. Als jedoch die Inderin ihre Waffe auf ihn richtet, legt er die Finger wieder an ihren Platz zurück und bleibt starr und steif sitzen. Desungeachtet fährt er mit der größten Heftigkeit fort:
    »Ihre Annahme, daß der BODEN für uns Sorge trägt, ist völlig aus der Luft gegriffen! Und Sie, der Sie sich soviel auf Ihre Logik zugute halten, sollten der erste sein, das zuzugeben! Wenn der BODEN uns mit Madrapour getäuscht hat, wer wollte dann behaupten, daß er uns gegenüber wohlwollende Absichten hat? Und wie können Sie einfach sagen, daß der BODEN uns schützt, wo er uns doch belogen hat!«
    Wenn man seine belegte Stimme hört – die fast klagend wirkt durch sein Bemühen zu überzeugen –, spürt man,

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