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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sturm hatte sich etwas gelegt. Die Presse war zu anderen aktuellen Themen übergegangen, Wildmoor kam bald in Vergessenheit, die Empörungsbriefe der Bevölkerung liefen aus, Ministerialdirektor Dr. Fugger triumphierte. »Sehen Sie, meine Herren, hier bewahrheitet sich wieder ein uraltes Prinzip des deutschen Beamtentums: Die schwierigsten Sachen erledigen sich von selbst. Man muß sie nur lange genug liegen lassen und nicht daran rühren! Wer spricht heute noch von Gut Wildmoor? Selbst der Herr Minister ist beruhigt, daß die dumme und dem Volk anscheinend so wichtige Angelegenheit noch vor den Wahlen in der Versenkung verschwunden ist. Unsere Aufgabe ist es nun, die ganze Sache noch weiter hinzuziehen … bis nach der Wahl, wir verstehen uns, meine Herren?! Die Terminüberschreitungen der Firma Etzheim nehmen wir schweigend hin … später werden wir dafür Prozente von der Rechnung abziehen. In Wildmoor wird im Augenblick nichts verändert. Regierungsrat Dr. Schmidt ist bereits unterrichtet. Im Gegenteil – wir werden Wildmoor nach einer Idee des Herrn Ministers auswerten. Das Interesse des Volkes hat gezeigt, welch großer Gerechtigkeits- und Sozialsinn im deutschen Menschen wurzelt. Dem wollen wir neue Nahrung geben durch das Musterbeispiel Wildmoor. Der junge Mensch an der Schwelle des Verbrechens wird zurückgerissen in die Gemeinschaft. Die Psychologie im Strafvollzug! Eine Idee des Herrn Minister, meine Herren! Eine glänzende Idee für die Wahl! Ich habe die Presse eingeladen zu einer großen Führung durch Wildmoor. Was glauben Sie, welchen Eindruck es macht, wenn unsere Wähler in den Zeitungen und im Fernsehen die Mädchen sehen, wie sie fröhlich in den bunt geschmückten Booten über die Kanäle ins Moor fahren –«
    An einem Samstag – die Mädchen saßen im großen Speisesaal und machten unter Anleitung von Fräulein Wangenbach, der Berufsschullehrerin, Handarbeiten oder modellierten mit Ton – ließ sich Dr. Spieß bei Regierungsrat Dr. Schmidt melden.
    »Das ist schön, daß ich Sie noch einmal sehe«, rief Dr. Schmidt und drückte dem jungen Anwalt die Hände. »Bringen Sie eine gute Nachricht? Haben Sie Hoffnung, für Monika ein Gnadengesuch durchzubekommen? Jetzt ist dazu die beste Gelegenheit – vor der Wahl ist alles butterweich, vor allem, wenn man es vorher in der Presse durchkaut! Jeder Minister will dem Volk Brot und Spiele geben.«
    »Sie werden in wenigen Sekunden einen Stuhl benötigen, Herr Regierungsrat.« Dr. Spieß öffnete seine Aktenmappe und entnahm ihr einen dünnen Schnellhefter. Erst jetzt fiel Dr. Schmidt auf, daß Dr. Spieß in einem feierlichen dunkelblauen Anzug gekleidet war, mit silbergrauer Krawatte und einer weißen Nelke im Knopfloch.
    »Sie machen den Eindruck, als kämen Sie von der Brautschau!« scherzte Dr. Schmidt ahnungslos. »Von der Braut in die Praxis – Sie sind zu bedauern.«
    »Es ist umgekehrt, Dr. Schmidt. Von der Praxis zur Braut.« Dr. Spieß breitete einige Papiere aus. Schmidt äugte neugierig zu ihnen hin. Unter einem Schriftstück las er in ungelenken Buchstaben die Unterschrift Hans Busse.
    »Es handelt sich also doch um Monika?«
    »Ja. Ich bitte Sie, Monika zu rufen. Ich möchte sie etwas fragen. Eine offizielle Sprecherlaubnis habe ich auch.«
    »Warum diese Förmlichkeiten, Doktor?«
    »Weil es eine förmliche Frage ist. Ich will Monika Busse fragen, ob sie meine Frau werden will.«
    Dr. Schmidt starrte Dr. Spieß sprachlos an. Dann schüttelte er sich wie ein geprügelter Hund und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Dr. Spieß lächelte schwach.
    »Ich sagte ja – Sie werden einen Stuhl brauchen.«
    »Wir haben doch nicht den 1. April, Dr. Spieß?!« sagte Schmidt entgeistert.
    »Ich nehme an, daß meine ganze Erscheinung dem widerspricht. Es ist mein vollster Ernst. Ich habe vor drei Tagen bei den Eltern um ihre Hand angehalten. Dort liegt ein von dem Vater Hans Busse unterschriebenes Protokoll.«
    »Man soll es nicht für möglich halten –«, stotterte Dr. Schmidt. »Und wenn Monika nun nein sagt?«
    »Sie sagt nicht nein.«
    »Aber sie weiß doch von alledem nichts!«
    »Sie weiß gar nichts.«
    »Doktor, Sie kommen mir vor wie ein Kunstspringer, der in ein leeres Wasserbecken springt!«
    »Vielleicht.«
    »Ist das denn Ihre letzte Möglichkeit und Weisheit, Monika hier herauszuholen?«
    »Nein! Ich will sie ja gar nicht herausholen. Ich liebe sie. Ich habe sie immer geliebt. Nur wußte ich das nicht. So etwas gibt

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