Mädchen im Schnee
die Küche und machte wortlos die Kühlschranktür auf.
»Willst du einen Kaffee?«, fragte Petra.
»Nee.«
Nach langem und intensivem Studium des Kühlschrank inhalts nahm Hannes Butter und Käse heraus, machte sich vier Brote, die er auf einen Teller legte und mit in sein Zimmer nahm.
Plötzlich spielte draußen im Flur Petras Handy die Dire-Straits-Melodie. Sie schoss hoch und stolperte zu ihrer Jacke, in der das Telefon seit ihrem Morgenspaziergang steckte.
»Ach, verdammt«, murmelte sie und suchte zwischen schwarzen Tüten für Hundekot und alten, eingetrockneten Leckerli nach dem Telefon.
Schließlich verstummte es.
Als Petra es endlich in der Hand hielt, sah sie, dass Sven Munther angerufen hatte.
Das Mobiltelefon summte. Eine neue Nachricht auf der Mailbox. Sie hörte die Nachricht ab:
»Hallo, Petra, tut mir leid, wenn ich am Wochenende störe, aber ich muss dich bitten herzukommen. Im Wald bei Gustavsfors ist ein totes Mädchen gefunden worden. Scheint so, als wäre sie ermordet worden. Ich habe Folke Dag och Natt oder Natt och Dag oder wie auch immer der heißt, verdammt noch mal, auch angerufen. Du kannst ihn mitbringen. Bratt und ich sind bereits vor Ort.«
Petra bekam eine Gänsehaut.
Nein, das darf einfach nicht wahr sein. Das ist nicht wahr.
Folke Natt och Dag stand vor dem Polizeirevier und sah fast glücklich aus. Normalerweise hätte Petra nichts dagegen einzuwenden gehabt, es war schließlich nicht lustig, ein Wochenende lang allein in einer Wohnung in Hagfors zu sitzen, doch jetzt ärgerte sie sich darüber.
Folke machte die Beifahrertür auf, stieg ein und brachte seine langen Beine im Fußraum unter.
»Ist es weit?«, fragte er, während Petra um die Blumenkübel herumkurvte, die den Verkehr beruhigen sollten.
»Nicht wirklich, ungefähr zwanzig Kilometer Richtung Norden. Ich weiß allerdings nicht genau, wo das Mädchen gefunden worden ist, deshalb müssen wir Munther oder Bratt anrufen, wenn wir uns der Gegend nähern.«
»Ich hätte ja nie gedacht, dass in diesem Bezirk so viel los ist«, sagte Folke. »Ich habe mir vorgestellt, dass ich hier zum Spezialisten für Sommerhauseinbrüche und Bußgeldeintreiberei werde, aber nicht, dass ich innerhalb weniger Wochen in zwei Mordermittlungen gerate.«
»Das kann ich gut verstehen. Für uns ist das auch alles andere als gewöhnlich.«
Normalerweise kümmerte sie sich um die neuen Dienstanwärter, zeigte ihnen alles und versuchte, ihnen ein bisschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich zu Hause fühlten. Aber der Mord an dem unbekannten Mädchen, das Verschwinden von Hedda Losjö und die Überwachung des illegalen Bordells hatten all ihre Zeit in Anspruch genommen. Jetzt wurde ihr klar, dass sie, seit Folke dabei war, kaum mit ihm gesprochen hatte. Deshalb versuchte sie, ihre schrecklichen Gedanken wegzuschieben und ein freundliches Gespräch unter Kollegen zu beginnen.
»Wo wohnst du eigentlich?«, fragte sie.
»Ich habe eine Zweizimmerwohnung am Tranebergsvägen. Man kann das Haus von hier sogar sehen … Dahinten.«
Folke zeigte auf eines der dreistöckigen Häuser auf der linken Seite.
»Die Gegend ist nicht schlecht«, sagte Petra.
»Ja, aber es wäre nett, einen eigenen Eingang und eine kleine Veranda zu haben.« Folke betrachtete die gelben Arbeiterreihenhäuser, die sich auf der anderen Seite der Straße durch das ganze Wohngebiet zogen. »Aber die Gegend hier ist wohl recht beliebt. Trotzdem war es völlig unproblematisch, eine Wohnung zu finden.«
»Kennst du jemanden hier?«
Folke lachte.
»Nein, keine Menschenseele. Ein Kommilitone von mir macht sein Praktikum in Karlstad, und wir hatten natürlich vor, uns zu treffen, aber das ist doch weiter weg, als ich dachte. Also verbringe ich ziemlich viel Zeit vor dem Computer.«
Sie fuhren an Geijersholm vorbei und bogen dann nach Gustavsfors ab. Auf den Kahlschlägen, die sich zu beiden Seiten der Straße erstreckten, ragten bleigraue, tote Tannen wie Hochspannungsmasten in den Himmel.
»Warum lassen sie denn diese hässlichen Bäume stehen?«, fragte Folke und zeigte darauf. »Die sehen ganz schön deprimierend aus.«
»Ich habe gehört, wegen der Vögel. Viele Arten bauen nur in toten Bäumen ihre Nester.«
Petra wünschte, Folke würde einfach weiterreden, damit die Stille nicht so unerträglich war. Plötzlich sah sie aus dem Augenwinkel, wie Folke auf ihre Hände starrte, die das Lenkrad so fest umklammert hielten, dass die Knöchel weiß waren.
»Wie
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