Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)

Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)

Titel: Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Brady
Vom Netzwerk:
und ließ die Pistole in einem Lederholster an ihrem linken Stiefel verschwinden. Anschließend schob sie eine .38er Standard-Halbautomatik in ihr Holster.
    »Fertig, Rambo?«
    »Lass die Scherze«, gab sie zurück und knipste die Lampe aus. »Ich wette, du warst noch nie hier.«
    In den letzten zwanzig Jahren nicht. Aber Mitch war nicht so leicht zu schockieren. »Und ich wette, ich war schon an schlimmeren Orten.«
    Sie gingen los. Mitch berührte die Ausbuchtung unter seiner Lederjacke. Dani war nicht die Einzige, die sich vorbereitet hatte.
    Sie liefen nach Westen, in die entgegengesetzte Richtung des Bahndepots. Im fahlen Mondlicht wirkte die Landschaft wie ein vom Krieg zerstörtes Dorf. Eine Handvoll Gebäude entlang der Gleise hatte schon bessere Tage gesehen – Lagerhäuser, Wohnhäuser, Speicher. Nun waren sie fast verrottet. Plastikfetzen klebten an morschem Holz, und vom Regen klebrig gewordene Pappe bedeckte die Löcher von dem, was noch als Dach diente. Scherbenreste in den Fenstern standen wie Mahnmale da.
    Mitch hätte nicht so viel Elend erwartet. Nicht hier in Lancaster. Nach eineinhalb Kilometern wurde die Nachtluft vom Gestank des harten Lebens geschwängert – Urin, Marihuana, kalter Schweiß und gärender Abfall. Ein paar Blocks weiter tauchten die ersten Menschen auf. An den Häuserwänden und Treppenaufgängen lungerten Betrunkene herum, Junkies kamen auf sie zu in der Hoffnung, etwas erbetteln zu können. Prostituierte, Männer wie Frauen, boten sich an. Je tiefer sie nach Reading vordrangen, desto lebendiger wurde das Nachtleben um sie herum.
    Dani sprach mit jedem, der ihr Gehör schenkte. Kennst du Alicia Woodruff? Weißblondes Haar. Hat sie Narben? Erinnerst du dich an ein Mädchen namens Jill Donnelly? Nika Love? Hatte eine von ihnen Babyspielsachen bei sich?
    Mitch blieb dicht hinter Dani und hielt nach Typen Ausschau, die ihnen gefährlich werden konnten. Dabei behielt er immer eine Hand an der Waffe unter seiner Jacke. Eine Stunde lang suchten sie vergebens, bis einer Frau mit Schlangentattoos auf Hals und Nacken etwas einfiel. Ihr Name war April.
    »Schon mit Chuckie gesprochen?«, fragte sie, während sie an ihrem Joint zog. »Chuck rennt immer mit so ’nem Teddy rum.«
    Dani wurde hellhörig.
    »Woher hat er den?«, wollte Mitch wissen.
    »Keine Ahnung«, erwiderte April. »Dämliches Ding. Hat er erst seit ein, zwei Tagen. Will es nicht mehr hergeben.«
    »Chuck – und wie weiter?«, fragte Dani. »Wo finde ich ihn?«
    »Chuck was-weiß-ich. Meistens im Bahndepot. Ist der Einzige, der so verrückt ist, dort rumzuhängen.«
    »Herrje«, sagte Dani, und Mitch sah die Hoffnung in ihren Augen.
    »Los«, sagte er.
    Schneller, als sie gekommen waren, liefen sie in Richtung der Überführung zurück. Mitch versuchte, den Gestank und die Eindrücke mit dem Bild von Lancaster in Einklang zu bringen, das er sein Leben lang in sich getragen hatte. Es gelang ihm, bis er einen Hund winseln hörte und von einem Scheppern in eine Gasse gelockt wurde. Was er dort erblickte, ließ ihn auf der Stelle haltmachen.
    Ein Junge von elf oder zwölf Jahren mit einem Straßenköter. Der Junge hing kopfüber in einer Mülltonne und wühlte darin herum. Auch der Köter stand auf den Hinterbeinen und hielt die Schnauze hochgereckt.
    »Kûçik«, flüsterte Mitch, und ihm stockte der Atem.
    Dani trat einen Schritt auf ihn zu. »Was?«
    Überrascht vom Klang ihrer Stimme, wich er zurück. Auch der Junge rannte erschrocken davon, und sein Hund folgte ihm.
    »Hey, was war das denn?«, wollte sie wissen.
    Mitch musste sich die Worte abringen. Seine Stimme klang rauh. »Ein Junge, der nach Essbarem suchte, glaube ich.«
    »Herrje.« Sie lief die Gasse ein Stück hinunter, leuchtete mit der Taschenlampe umher und kam schließlich zurück. »Er ist fort.« Dani sah Mitch forschend an. »Alles okay mit dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    Er erstarrte. »In Ar Rutbah gab es einen Jungen, etwa in seinem Alter.« Die Erinnerung war wie ein Schlag in die Magengrube. »Er lief auch immer mit einem Hund herum.«
    »Aha«, erwiderte Dani zögernd. »Was ist passiert?«
    Mitch konnte das Camp förmlich riechen – den Duft von Curry, der von den Kochstellen aufstieg, die rauchverhangene Luft von den Schießübungen. Die streunenden Hunde und herumlaufenden Hühner. »Er war ganz scharf auf die Kamera«, erzählte Mitch. »Tagelang lief er mir hinterher, und irgendwann habe ich ihn ein paar

Weitere Kostenlose Bücher