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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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der zum Äskulap führte, hob die Lampe und sah gerade noch, wie eine Dame im weißen Kleid die Kellertreppen hinunter verschwand. Merkwürdig, was suchte die Gräfin wohl um diese Uhrzeit noch beim Leibarzt? Wenn es so dringlich war – warum schickte sie keinen Diener nach ihm? Vermutlich würde sie es morgen vom Dottore selbst erfahren.
    Der Abendwind kroch ihr unter den Rock und streifte ihr die Beine entlang, als sie den Stiftshof betrat. Frierend raffte sie das weiße Brusttuch vor dem Hals, während sie sich umsah. Der Zugang zur Kirche lag im Dunkeln und im Flügel der Fürstäbtissin waren ebenfalls die Kerzen erloschen. Der Tag im Stift hatte mit dem Sonnenuntergang geendet … und für Lea hatte vielleicht die letzte Stunde bereits geschlagen.
    Es zog empfindlich um die Ecke, als sie den Innenhof durchquerte, die trockenen Kastanienblätter knirschten unter ihren Füßen, irgendwo aus der Nähe ertönte das markerschütternde Geschrei einer Katze. Schnell lief sie an Sebastians Haus vorbei, in der Stube brannte noch Licht, den Weg hinunter durch das unbewachte Tor. Ein Zeichen dafür, wie sicher sich die Fürstäbtissin fühlte – womöglich zu sicher, befürchtete Helena, doch sie hatte keine Zeit, sich darüber weitere Gedanken zu machen.
    Kurz darauf stand sie vor Leas Elternhaus. Die Kammer unterm Schindeldach war erleuchtet. Das schwarz-weiße Fachwerk schimmerte matt, und sie hörte den Wind durch
den Bretterverschlag nebenan jagen, aus dem das Grunzen der Säue drang. Hinter dem beleuchteten Fenster im oberen Stockwerk wanderte der Schatten einer erwachsenen Gestalt hin und her.
    Helena sah, dass die Haustüre nur angelehnt war. Die Angeln quietschten, als sie nach kurzem Zögern über die Schwelle trat. Augenblicklich fand sie sich in einer rußgeschwärzten Küche wieder. Niemand war da. Gleich links führte eine schmale Treppe hinauf in die Schlafkammer und von oben fiel schwaches Licht auf die steilen Stufen.
    »Karl, bitte sei so gnädig und bring mir die gekochten Erbsen.«
    In dem gemauerten Herd knisterte das Feuer; darüber stand ein gusseiserner Topf auf einem Dreibein. Helena verzichtete darauf, der Mutter eine Erklärung hinaufzurufen und nahm stattdessen eine Tonschüssel aus dem Regal. Mit beiden Händen hob sie den schweren Topf am langen Holzstiel vom Feuer und goss die Erbsen in das bereitstehende Gefäß.
    Mit der dampfenden Schüssel stieg sie die Stufen hinauf und trat in den Raum über der Stube. Schon von der Treppe aus konnte sie durch die geöffnete Kammertüre eine Truhe sehen, aus der einige Tücher heraushingen. Daneben stand ein Ehebett aus dunkelbraunem Holz, auf dem das Bettzeug fehlte. In der Ecke gab es einen Waschtisch, wo auch einige brennende Kerzen standen. Wachskerzen, für die Leas Mutter vermutlich ihr letztes Geld ausgegeben hatte.
    »Karl?« Die Stimme der Frau kam hinter der Türe vor, dort musste wohl Leas Krankenlager sein.
    Helena atmete tief durch, dann betrat sie die Kammer.
Die Mutter hielt ihr den Rücken zugekehrt und wachte über dem Bett ihrer kleinen Tochter, die unter einem Berg von blassrot überzogenen Federdecken lag. Von hier aus konnte Helena nicht einmal das kleine Gesichtchen sehen.
    »Karl, ich glaube, es ist bald vorbei …«
    »Verzeihung. Ich bin es, Helena.«
    Die Mutter drehte sich zu ihr um. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet, und ihre Hände zitterten vor Erschöpfung. »Oh, ich dachte, Karl hätte ein Einsehen gehabt und wäre aus dem Wirtshaus gekommen. Aber da wird er wohl bleiben bis … seine Tochter unter der Erde ist.« Sie wischte sich über die Augen und ordnete einige Strähnen ihrer langen Haare hinters Ohr. »Falls dich der Leibarzt nach Geld für die Behandlung der Mandeln schickt, sag ihm, es tut mir leid, aber ich …«
    »Ich wurde nicht von ihm geschickt. Ich bin vielmehr gekommen, um …« Helena verstummte. Verlegen streckte sie der Frau die Schüssel hin. »Hier, ich habe Ihnen die Erbsen gebracht.«
    »Oh ja, das ist gut!«, rief die Mutter aus und platzierte die dampfende Schüssel mit fahrigen Bewegungen unter dem Bettzeug.
    »Um Himmels willen! Was tun Sie da?«
    »Damit kann man die Blattern schneller vorantreiben – gleichsam den quellenden Erbsen! Das holt die Krankheit aus dem Leib, das Gift wird von den Erbsen angezogen und …«
    »Unsinn!«, brach es aus Helena hervor. »Lea wird sich daran verbrühen, das ist alles! Sie ist ohnehin viel zu warm zugedeckt. So staut sich das hitzige Geblüt und

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