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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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kommt vor …« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Aber eher selten.«
    »Gut, mehr wollte ich nicht wissen. Vielen Dank.«
    »Gregor!« Wütend beugte sie sich über ihn und packte ihn bei den Schultern. »Was soll das? Wenn du deines Lebens überdrüssig bist, dann ist das noch lange kein Grund, andere in Gefahr zu bringen!«
    »Au, mein Arm, lass mich.« Gregor befreite sich aus ihrem Griff. »Vielleicht solltest du dich fragen, warum du so überzogen reagierst. Noch habe ich keine Blattern, und du führst dich auf, als hätte ich sie bereits jedem mitgeteilt! Abgesehen davon habe ich nicht vor, irgendjemanden mit in den Tod zu reißen. Ich werde das Stift rechtzeitig verlassen, nur keine Sorge!«
    »Du bleibst hier! Auch nachts verlässt du diesen Raum nicht mehr! Hast du mich verstanden? Wenn du die Blattern in dir trägst, dann kannst du sie schon jetzt einem anderen Menschen mitteilen, das ist doch das Heimtückische an der Seuche!«
    »Schon jetzt ?«
    »Ja, es genügt die bloße Nähe zu irgendeiner Person! Du musst sie nicht einmal berühren.«
    »Aber es ist doch vollkommen ungewiss, ob ich die Blattern überhaupt in mir trage! Vielleicht bin ich dem Gift entkommen.«
    »Darüber werden wir in weniger als vierzehn Tagen, vielleicht schon in einer Woche, Gewissheit haben. Und solange
bleibst du in der Bibliothek. Du meidest jeglichen Kontakt zu anderen Personen!«
    Er sah zu ihr auf. »Und du bist dir selbst sicher, dass du nicht erkranken kannst?«
    »Ich …« Sie schluckte. »Ich habe bereits zwei Seuchen unbeschadet überstanden. Erklären kann ich dir das nicht.«
    »Hattet ihr zu Hause Kühe? Ich habe gehört, dass …«
    »Hör auf! Seit Jahren zerbreche ich mir darüber den Kopf, aber es kann nicht mit der Milch zusammenhängen! Meine Großmutter hat sie auch getrunken, aber sie ist gestorben! «
    Gregor setzte sich auf. »Du hast Recht, es hat nichts mit der Milch zu tun. Einige aus unseren adeligen Kreisen mussten das leidvoll erfahren, als sie sich auf diese Weise eine Inokulation ersparen wollten. Ich glaube eher, es liegt an den Melkerknoten selbst. Nur wer sich damit beim Melken angesteckt hat, kann keine Blattern bekommen. Das ist meine Vermutung.«
    »Und wie würdest du dir sodann erklären, dass meine Großmutter die Melkerknoten hatte und trotzdem an den Blattern gestorben ist?«
    Gregor schwieg betreten. Lange saß er so da, bis er schließlich murmelte: »Nein, das verstehe ich auch nicht. Diese verdammte, heimtückische Seuche!«
    »Lea …« Helena schluckte, um den Kloß im Hals zu verdrängen. »Das kleine Mädchen, dessen Hals ich gestern behandelt habe … Sie hat letzte Nacht die Blattern bekommen. «
    »Heißt das … heißt das, die Kleine wird vielleicht sterben, und man wird nichts dagegen tun können?«
    »Man kann nur die Schmerzen und den Juckreiz des Ausschlags
lindern, aber es gibt kein Mittel, das den Tod verhindern könnte.«
    »Das bedeutet, wenn sie gestern Nacht die Blattern bekam, könnte sie womöglich jetzt schon im Sterben liegen?«
    »Wenn ich nur wüsste, wo das Mädchen wohnt«, flüsterte Helena kaum vernehmlich. »Sie ist die kleine Tochter des Stallmeisters.«
    »Des Stallmeisters? Wenn ich mich recht entsinne … lass mich nachdenken … Ich habe ihn einmal wegen meines lahmenden Reittiers befragt. Er wohnt … Kennst du die kleinen Häuser unten an der Stiftsmauer?«
    »Ich war dort bei Ernestine, der Wittfrau des Kutschers.«
    »Ernestine, richtig! Und genau zwei Häuser weiter wohnt der Stallmeister. Sein Haus hat rote Fensterläden.«
    »Nur zwei Häuser weiter?« Helena konnte es kaum fassen, dass der Leibarzt trotz dieses kurzen Weges keine Visitation bei Lea gemacht hatte. »Meinst du, ich sollte ohne Wissen des Leibarztes nach ihr sehen?«
    Gregor erwiderte nichts. In seinem kummervollen Gesichtsausdruck konnte sie allerdings seine Antwort ablesen: Und was kannst du noch für sie tun?

    Im Flur war es kalt, der Wind drang durch die Fensterritzen. Helena verließ nach Sonnenuntergang das Sternenzimmer und ging im Schein der Öllampe zur Treppe. Langsam stieg sie die ausgetretenen Steinstufen hinunter, durch ihre dünnen Lederschuhsohlen spürte sie jede Unebenheit. Im Erdgeschoss drangen keine lebhaften Stimmen aus den
Wasch- und Küchenräumen, kein Klappern von Geschirr, es umgab sie nur unheimliche Stille.
    Als sie unten angelangt war und die Türe zum Stiftshof öffnen wollte, hörte sie plötzlich ein Geräusch – sie blickte zum Gang hin,

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