Maedchenauge
Freund und … was jetzt?«
»Sebastian war ein früherer Schulkollege von ihr. Mit dem war sie bereits vor der Übersiedlung nach Wien zusammen … Wie eng das war, weiß ich natürlich nicht, aber … Jedenfalls ist er in Salzburg geblieben, um Rechtswissenschaften zu studieren. Nach Wien hat er nicht gewollt, daher haben sie Schluss gemacht. Und Lena ist danach kaum noch in Salzburg gewesen, sondern fast nur noch in Wien. Erst als sie wieder mit Sebastian … da hat sie meistens bei ihm übernachtet, wenn sie hier war.«
»Das hat Sie nicht gestört oder beunruhigt?«
»Überhaupt nicht. Wir haben ja jetzt gewusst, mit wem wir es zu tun haben. Das zwischen Lena und Sebastian hat uns schon sehr gefallen, wir haben ihn gekannt und deshalb …«
»Sie kennen ihn? Wie heißt er?«
»Sebastian Emberger.«
Als der Name gefallen war, hatte Descho aufgehorcht. Und endgültig gewusst, nicht an einer beliebigen Ermittlung beteiligt zu sein.
»Emberger … Ist der junge Mann zufällig verwandt mit …?«, hatte Descho wie nebenbei gemurmelt.
»Ja, Sebastian gehört zu der Familie, die Sie meinen. Das sind seriöse Menschen, da waren wir natürlich sehr beruhigt und zufrieden.«
Die Familie Emberger besaß ein traditionsreiches Restaurant nahe der Altstadt. Im Sommer ließen sich dort Opernsänger, Dirigenten, Schauspieler und andere Künstler der Salzburger Festspiele bis in die frühen Morgenstunden bewirten, mit diversen Prominenten und Klatschreportern im Schlepptau. Deshalb galten, zumindest in Salzburg, die Embergers selbst als Prominente. Gasthaus Emberger nannte sich das Lokal mit vorgetäuschter Bescheidenheit. Für Salzburger Polizisten war das Emberger eine No-go-Area. Aktiv durfte man dort nur werden, wenn die Besitzer es wünschten.
Am frühen Montagmorgen fuhr Descho nach Anif zur Villa der Embergers. Eine geradezu unterwürfig freundliche Haushälterin öffnete und trieb einen sichtlich übernächtigten Sebastian Emberger aus den Federn. Ein sehr großgewachsener, schlaksiger junger Mann mit dunkelbraunem Haar, eindrucksvoller Nase und unruhig herumflackernden Augen.
Sebastian Embergers Schock über die Nachricht vom gewaltsamen Tod seiner Freundin war offenbar groß, seine Schläfrigkeit verzögerte jedoch das volle Einsetzen der Trauer. Bereitwillig und augenscheinlich unbefangen plauderte er mit dem Kriminalbeamten. Viele Erkenntnisse, die Descho bei der Befragung der Karners gewonnen hatte, bestätigten sich. Auch die möglicherweise letzte Begegnung zwischen Sebastian und Magdalena, die erst zwei Wochen zuvor in Salzburg stattgefunden hatte.
»Worüber haben Sie damals gesprochen?«, wollte Descho wissen.
»Eigentlich über nichts Besonderes«, erwiderte Emberger. »Ganz Alltägliches eben. Bevorstehende Prüfungen an der Uni zum Beispiel. Oder was man so erlebt hat. Wie gesagt, nichts Spezielles. Ich kann mich im Moment auch gar nicht so im Detail erinnern …«
»Völlig klar«, sagte Descho verständnisvoll. »Wo waren Sie übrigens gestern Abend?«
»Hier war ich … ich meine, in Salzburg. Ich war zu Hause und habe für eine Prüfung gelernt. Unsere Haushälterin kann das bestätigen. Meine Eltern sind leider bis morgen im Ausland.«
»Kein Problem, das ist nicht so wichtig …«
Beim Hinausgehen stellte Descho ein weiteres Gespräch in Aussicht. Emberger schien nicht beunruhigt zu sein. Stattdessen hatte er es plötzlich eilig, eine vormittägliche Vorlesung an der Universität nicht zu versäumen.
Irgendwo hatte Descho aufgeschnappt, dass Sebastian einen BMW fuhr. Wahrscheinlich in irgendeiner lokalen Klatschzeitung. Als er über den kleinen Platz vor dem mit einer Überdosis alpenländischer Rustikalität aufwartenden Haus der Embergers schlenderte, sah er sich sorgfältig um. Von der Emberger-Villa aus konnte Descho beobachtet werden, also blieb er nicht stehen und verlangsamte sein Tempo auch nicht. Doch er erinnerte sich, dass die Villa über zwei Garagentore verfügte. Wenn Vater wie Mutter jeweils ein eigenes Auto besaßen, musste jedes weitere Fahrzeug anderswo geparkt werden.
Da stand ein schwarzer BMW. Im Gehen studierte Descho die Windschutzscheibe, die Kühlerhaube und die Scheinwerfer. Unzählige zerquetschte Insekten klebten darauf. Wie bei einem Fahrzeug, das mit hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen war. Zum Beispiel auf einer Autobahn. Descho prägte sich das Nummernschild ein.
Als er wieder in seinem Dienstwagen saß, recherchierte Descho im Polizeicomputer.
Weitere Kostenlose Bücher