Maedchenfaenger #4
läuft ... nicht gut, Steph. Ich will nicht lügen. Hör zu, ich weiß deine Nachfrage zu schätzen, und dieses Jahr war die Hölle, genau wie du gesagt hast. Die reine Hölle. Meine Frau hat sich nicht davon erholt. Ich mich auch nicht. Ich glaube, wir werden uns nie erholen. Nein, ich weiß, dass wir uns nie erholen werden.»
Sie nickte, ohne etwas zu sagen, und wartete, dass er weitersprach.
Er holte tief Luft. «Alles hat sich verändert. Wir haben uns verändert. Manchmal habe ich das Gefühl, LuAnn und ich sind wie zwei Fremde in einem kleinen Boot, die ganz allein auf dem Meer treiben, in der Hoffnung, irgendwann den Weg nach Hause zu finden, aber in der Zwischenzeit versuchen wir nur verzweifelt, irgendwo an Land zu kommen. Irgendwo an ein Fleckchen Land, wo wir aufhören können, zu paddeln und zu suchen, und einfach ... sein können. Und jeden Tag, an dem wir nicht zurückfinden, an dem wir nicht mal auf diesen kleinen Flecken Land stoßen, vergessen wir mehr und mehr, wonach wir suchen. Ich meine, wir erinnern uns, dass zu Hause das Paradies war, verstehst du? Aber in der Zwischenzeit verpassen wir all die kleinen Chancen ... zu leben. Zusammen zu sein.» Er schüttelte den Kopf. «Ich bin ein Arschloch. Ich sollte so was nicht sagen. Aus mir spricht viel zu viel Red Bull und viel zu wenig Schlaf. Aber du hast gefragt, Frau Doktor.»
«Ja, ich habe gefragt», antwortete sie leise. «Meinst du wirklich, du bist der einzige Mensch auf der Welt, der Beziehungsprobleme hat? Erst recht nach einer solchen - in Ermangelung eines besseren Worts - Tragödie? So ein Typ bist du doch nicht.»
Er lächelte. «Du scheinst eine Gabe zu besitzen, die Leute zum Reden zu bringen, Frau Doktor. Deswegen trauen sich die Angeklagten bei dir nicht in den Zeugenstand. Sie haben Angst vor dem, was du aus ihnen herauslockst.»
Sie wurde rot. Stephanie war hübsch, keine Frage, mit ihrem langen, dicken rotbraunen Haar und den intensiven blauen Augen, die funkelten, wenn sie wütend war oder eine Idee hatte. Bobby hatte mehr als einen Kollegen phantasieren hören, wie sie wohl unter ihren maßgeschneiderten Kostümen aussah. Er fragte sich manchmal, warum sie nie geheiratet hatte.
«Danke für das Kompliment», sagte sie. «Was willst du jetzt machen? Ich meine, wegen deiner Tochter?»
«Ich suche weiter. Ich war ein paarmal in Kalifornien, wo sie angeblich gesehen wurde. San Fran und Venice Beach. Ich war bei den bekannten Ausreißer-Treffpunkten in Jersey, New York,
Vegas und Detroit. Nichts. Dann hat mir das Jugendamt vor einem Monat das Foto eines Mädchens in New Orleans geschickt, aber es war so verschwommen, dass man nicht genau erkennen konnte, ob sie es ist. Als ich dort war, war sie längst weg.»
Ein paar Gerichtsangestellte kamen die Treppe herunter und gingen an ihnen vorbei durch die Tür. Weder Bobby noch Stephanie sagten etwas. «Glaubst du, es besteht die Möglichkeit, dass er sie entführt hat?», fragte Stephanie dann leise, als sich die Tür wieder geschlossen hatte. «Dass der Mädchenfänger Katy hat? Ist es das, was ich spüre?»
Bobby seufzte und schlug mit der flachen Hand gegen die Wand. «Ich darf nicht mal daran denken. Aber es war der erste Gedanke, der mir gekommen ist, als mir klarwurde, dass es vielleicht noch mehr Opfer gibt. Trotzdem, ich darf nicht darüber nachdenken. Da draußen gibt es Tausende von Ausreißern. Viele kommen einfach nicht zurück, weil sie nicht wollen. Weil sie noch nicht so weit sind, das ist alles. Andernfalls ...» Er schloss die Augen. «Ich darf es mir einfach nicht vorstellen, Stephanie.»
Sie nahm seine Hand und schloss ihre warmen Finger um seine. Er erwiderte den Druck. Es fühlte sich gut an. Doch es war ein seltsames Gefühl - sofort hatte er ein schlechtes Gewissen. Neulich Abend, als die Steckbriefe vor ihm auf dem Esstisch lagen, war das erste Mal seit Monaten gewesen, dass LuAnn ihn von sich aus berührt hatte. Wie er Stephanie eben aus unerfindlichen Gründen anvertraut hatte, hatten sie sich seit Katys Verschwinden immer mehr voneinander entfremdet. Er bildete sich ein, dass LuAnn ihn für Katys Verschwinden verantwortlich machte. Dass sie einen Groll gegen ihn hegte, weil es seine letzten Worte waren - das strikte Verbot, Ray zu sehen —, die Katy endgültig vertrieben hatten. Weil es sein anfänglicher Fehler gewesen war, Katy überhaupt mit ihm losziehen zu lassen, obwohl er von vorneherein wusste, dass Ray ein
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