Maedchengrab
gut – wo ist Frank Hammell?«
»Raus. Hat mir sämtliche Geschäfte übertragen.« Christies Blick ruhte jetzt auf Cafferty. »Ist das okay für Sie?«
» Warum nicht?«
» Weil Sie immer noch das Gefühl haben wollen mitzumischen. Aber wir beide wissen, dass das jetzt nicht mehr drin ist. Ich habe gesehen, wie Sie vorgehen, und das bedeutet, dass ich’s jederzeit mit Ihnen aufnehmen kann, sofern Sie’s drauf anlegen wollen.«
»Das hab ich alles hinter mir.«
»Gut gesagt, aber Sie müssen auch daran glauben. Ich habe aufgepasst, Cafferty, und ich weiß, welche Teile der Stadt Hammell unter Kontrolle hatte. So wie die Dinge liegen, will ich keinen Krieg – was Ihnen gehört, soll Ihnen bleiben. Allerdings kann sich meine Einstellung dazu auch sehr schnell ändern, falls Sie vorhaben sollten, auf fremdem Terrain zu wildern. Haben wir uns verstanden?«
Und erst dann hatte Christie Cafferty die Hand entgegengestreckt. Der Junge war achtzehn! Achtzehn. Mit achtzehn war Cafferty gerade mal ein einfacher Soldat gewesen. Und jetzt musste er sich von einem dürren Straßenkind mit Napoleonkomplex und einer Handvoll bezahlter Aufpasser erzählen lassen, wo’s langging.
Aber er hatte trotzdem eingeschlagen.
Und als er jetzt in seinem Arbeitszimmer saß, wusste er, dass Darryl Christie den richtigen Zug zur richtigen Zeit gemacht hatte. Die Übernahme war glatt verlaufen. Hammell hielt den Ball flach, noch war nicht davon auszugehen, dass man ihn nicht mehr lebendig würde zu sehen bekommen.
Was Ihnen gehört, soll Ihnen bleiben. Allerdings kann sich meine Einstellung dazu auch sehr schnell ändern …
Welche Dreistigkeit dieses kleine Arschloch besaß.
Aber ein schlauer kleiner Wichser war er, das musste man ihm lassen; man durfte ihn nicht unterschätzen. Cafferty war es peinlich, wenn er daran dachte, wie er die ganze Sache angegangen war – er hatte den netten Onkel markiert, ihm den Arm um die Schulter gelegt –, als Darryl längst alles durchgeplant hatte, so cool und berechnend, wie man es sich nur vorstellen konnte.
Das musste man bewundern, zumindest vorläufig. Aber schließlich und endlich war der Junge noch keine zwanzig. Ihm standen noch einige harte Lektionen bevor. Er würde Fehler begehen, sich Feinde machen. Niemand war unantastbar.
Niemand.
Weshalb sich Cafferty aus seinem Sessel erhob und vergewisserte, dass sowohl Vorder- wie auch Hintertür verriegelt waren …
65
Am Samstagmorgen rief Rebus erneut Magrath an. Dieses Mal klingelte das Telefon nicht. Stattdessen hörte er eine automatische Ansage: Die von ihm gewählte Rufnummer sei nicht bekannt, und er solle es noch einmal versuchen. Beim zweiten Mal verwandte er mehr Sorgfalt, bekam aber genau dieselbe Ansage.
»Hast dir wohl eine neue Nummer geben lassen, Gregor?«, fragte er. Dann nickte er leise vor sich hin und ging duschen.
Am frühen Nachmittag parkte er in Rosemarkie, direkt gegenüber von Magraths Cottage. Er hupte ein paarmal, behielt die Fenster auf der Suche nach Lebenszeichen im Blick. Alle Vorhänge waren zugezogen. Als er schließlich nachsehen ging, vorbei an dem Landrover, fiel ihm die Post auf der Matte hinter der Eingangstür ins Auge. Er ging zum nächsten Haus, die Nachbarin öffnete.
»Erinnern Sie sich an mich?«, fragte Rebus. »Ich war schon mal hier.«
Die ältere Frau bestätigte, dass ihr Rebus nicht fremd sei.
»Ich wollte nur wissen, ob Sie vielleicht Gregor Magrath gesehen haben.«
»Gestern war er im Laden, um sich seine Zeitung zu kaufen.«
»Dann geht’s ihm also gut? Ich frage nur, weil er nicht aufmacht und das Haus verlassen aussieht.«
»Da standen rund um die Uhr Reporter vor der Tür«, erklärte die Frau. »Und ich konnte hören, wie das Telefon ununterbrochen geklingelt hat.« Sie hielt inne, beugte sich zu Rebus vor und senkte die Stimme. »Haben Sie gehört, was passiert ist?«
Rebus nickte, was, wie er vermutete, von ihm erwartet wurde.
»Schreckliche Sache, einfach entsetzlich. Man glaubt doch nie, dass so was mal … Na ja, Sie wissen schon, was ich meine.«
»Im Dorf wird bestimmt viel geredet, oder?«
Die Frau warf den Kopf zurück. »Ist ja auch kaum zu glauben.«
»Finden es denn alle so unvorstellbar?« Rebus gab sich die größte Mühe, wie ein Einheimischer zu klingen. Er lehnte jetzt mit verschränkten Armen am Türrahmen – wie zwei alte Freunde bei einem Schwätzchen standen sie da.
»Unvorstellbar«, wiederholte die Frau.
»Keiner, der an ihm zweifelt?«
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