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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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Ihrem Belieben ein. Diese beiden Räume sind Ihr Reich, das Sie nur mit Erna teilen.«
    Ohne das finster dastehende Kind eines weitern Blickes zu würdigen, verließ sie das Zimmer.
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    Mit schwerem Herzen, in trüben Gedanken blieb Nora zurück. Wie sollte sich ihr Leben gestalten in der Gesellschaft dieser herrischen Mutter und dieses unzugänglichen Kindes, die beide gleich arm an Liebe schienen? Sie dachte an ihr Elternhaus, in dem ihre Kindheit so sonnenhell und glücklich verflossen, wo die innigste Zärtlichkeit sie auf jedemSchritt begleitete; an das Mansfeldsche Haus, das von dem ihrigen so verschieden war, und in dem doch gegenseitige Zuneigung und Rücksicht jedes Verhältnis durchdrang. War sie wirklich erst seit Stunden von dort geschieden? War sie noch heute morgen der Gegenstand allgemeiner liebevoller Teilnahme gewesen? Es kam ihr vor, als lägen Monate zwischen damals und jetzt, als wäre sie um eine lange Lebenserfahrung reicher geworden. Sie fühlte sich müde an Leib und Seele, ein leidenschaftliches Heimweh überfiel sie, sie beugte ihr kummervolles Haupt und weinte bitterlich.
    Plötzlich legten sich zwei weiche Händchen auf die ihrigen, und eine schüchterne Stimme fragte: »Worüber weinst du?« Nora blickte auf, undeutlich sah sie durch ihre Thränen Ernas blasses Gesicht, das mit einem gespannten Ausdruck in das ihrige blickte.
    »Weil ich so allein und verlassen bin, soweit entfernt von meinen Eltern, von Elly, von allen, die mich lieb haben«, sagte Nora, ihrem Kummer freien Lauf lassend.
    »Ich will dich lieb haben, weine nicht mehr«, sagte die Kleine mit tiefem Ernst. »Mich hat auch keiner lieb, aber ich darf nicht weinen.«
    Gerührt von den seltsamen Worten zog Nora das Kind auf ihren Schoß, es schlang seine Arme um ihren Hals und schmiegte sich fest an sie. »Meine liebe kleine Erna,« sagte das junge Mädchen weich, »wir beide wollen uns recht innig lieb gewinnen und treu zu einander halten, dann werden wir beide wieder froh und glücklich werden.« Das Kind blieb eine Weile ganz still, dann hob es den Kopf empor: »Warum nannte die Mama dich Lorchen? du sagtest, du hießest Nora.«»So nannten mich meine lieben Eltern und Elly und alle andern zu Hause, aber deiner Mama gefällt der Name nicht, darum will sie mich anders nennen.«
    »Aber Nora ist viel hübscher! ich will dich immer Nora nennen.«
    »Aber nicht, wenn die Mama es nicht wünscht; du weißt, du mußt der Mama gehorsam sein.«
    Wieder schwieg Erna eine Weile, wie in tiefem Nachdenken, dann fragte sie: Ist Elly deine Schwester?«
    »Nein, sie ist meine Freundin, aber wir lieben uns so sehr, wie sich nur zwei Schwestern lieben können.«
    Die Kleine blickte scheu umher, ob jemand sie hören könne, dann flüsterte sie leise: »Ist sie wie Adda?«
    »Wer ist Adda? ich kenne sie nicht.«
    »Adda ist meine Schwester, aber sie ist jetzt im Himmel, der liebe Gott nahm sie zu sich und zu seinen Engeln.«
    »Und du hattest Adda sehr lieb, nicht wahr?«
    »O so lieb, ich kann es dir gar nicht sagen. Sie hatte goldne Locken und glänzende blaue Augen, sie war immer fröhlich und sang und tanzte, und wenn Mama in die Stube kam, flog sie zu ihr wie ein Vogel, ihr gerade um den Hals. Und Mama küßte sie und tanzte mit ihr, und dann sagte Adda: nun küsse auch Erna. Aber solche Küsse mochte ich nicht leiden; wenn mich Adda küßte, war es mir viel lieber. Warum nahm der liebe Gott mich nicht lieber in den Himmel und ließ Adda bei der Mama? – aber ich war ihm wohl zu häßlich, er konnte mich nicht brauchen unter seinen schönen Engeln.«
    Nora fühlte sich tief ergriffen; ihr war es, als schaue sie mit einem Blick in das ganze Geheimnis dieser verschlossenen Kindesseele. Ein Gefühl höchster Verantwortung überkam sie, sie sendete ein heißes Gebet empor um die rechte Weisheit und Liebe, um dieses Kind richtig zu leiten, das ihr so ganz ans Herz gelegt wurde. Sie küßte Erna zärtlich. »Du bist nicht häßlich, mein Herzblatt«, sagte sie innig und schaute ihr tief in die großen dunkeln Angen, die jetzt in feuchtem, wundersamem Glanze schimmerten, »niemand ist häßlich, der ein liebevolles Herz hat und gern gut und fromm sein möchte. Der liebe Gott hat alle Kinder lieb, auch dich und mich, und Ihm ist es ganz gleich, ob eins goldne oder schwarze Haare hat. Wir wollen beide recht gut und fröhlich sein, dann werden uns auch alle Menschen lieb haben.«
    »Auch die Mama?«
    »Gewiß, die zuerst, du mußt ihr nur immer

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