Maedchenmoerder Ein Liebesroman
meine Geschichte aufzuschreiben, war mir von Anfang an klar, dass dieses Buch nicht nur Menschen kaufen werden, die Mitgefühl oder ehrliches Interesse antreibt. Deshalb gebietet mir der Selbstschutz - vor allem aber der Respekt für Geneviève, die ihre Sicht der Dinge nicht mehr selbst darlegen kann -, von den Ereignissen, die sich in jener Nacht im Campanile -Hotel bei Montélimar abgespielt haben, nur das Allernötigste zu berichten. Mögen die (sensations-)lüsternen Leser das Buch enttäuscht zur Seite legen. Alle anständigen werden mir dankbar sein, dass ich die Tür zu jenem Zimmer Numéro 117 nur einen Spalt weit öffne.
Es ist schwer, den genauen Zeitpunkt zu benennen, an dem die arme Geneviève zu ahnen begann, dass ihr » cher D ...« in Wahrheit ganz und gar nicht » cher « war. War es, als mein Peiniger, den ich ab jetzt wohl besser »unseren Peiniger« nenne - war es also, als unser Peiniger immer drastischere Kommentare zu dem Softporno abgab, der im Fernsehen lief? War es, als er mich aufforderte, endlich die Sonnenbrille abzunehmen und Geneviève » mon beau visage « zu zeigen? Oder war es, als er mir befahl, ins Bad zu gehen und dort eine Wanne einzulassen? (Angeblich, weil ich stinken würde » comme une pute «. (Es ist sehr gut möglich, dass meine neue Bluse, die zu exakt hundert Prozent aus Polyester bestand, tatsächlich bereits roch - bei dem Angstschweiß, den ich in den letzten Stunden vergossen hatte, wäre es kein Wunder gewesen.))
Das einfließende Badewasser übertönte für mich - und allem Anschein nach auch für die Gäste in den Nachbarzimmern (wobei man sagen muss, dass die Campanile -Wände ohnehin dicker sind als die Wände in den anderen Plastikhotels - wohl einer der Gründe, warum mein Peiniger in dieser Nacht eine »bessere« Absteige gewählt hatte...) - alle anderen Geräusche. Das Rauschen des Badewassers war so laut, dass ich nicht hören konnte, was im Zimmer vor sich ging. (Außerdem wurde im Fernseher noch immer gestöhnt und geschrieen.)
Als die Wanne voll war, schlich ich an die Badezimmertür, um zu lauschen. Ich vernahm ein gedämpftes Würgen und Wimmern, woraus ich schloss, dass mein Peiniger die arme Geneviève als Erstes gefesselt und geknebelt haben musste. (Und ich muss mir jetzt endlich angewöhnen, unser Peiniger zu sagen!) Meine Lust auf ein Vollbad lag unter null, dennoch begann ich, den Reißverschluss meiner Jeans aufzuziehen. Noch ehe ich die Hose über meine Hüften geschoben hatte, flog die Tür auf und mein - unser! - Peiniger zerrte mich aus dem Bad. Die arme Geneviève lag auf dem Bett, ganz so, wie ich es geargwöhnt hatte: In ihrem Mund steckte ein rosa Stofffetzen. (Mit ziemlicher Sicherheit muss es sich dabei um ihren eigenen Slip gehandelt haben - bevor unser Peiniger mich ins Bad geschickt hatte, hatte ich gerade noch mitbekommen, wie er das arme Mädchen damit gelockt hatte, dass er ihr fünfzig Euro zahlen würde, sollte sie ihm ihren Slip überlassen.) Genevièves Hände waren mit den mir wohl bekannten Handschellen auf den Rücken gefesselt. Ihre Beine waren mit dem Gürtel unseres Peinigers fest zusammengeschnürt. Sie zappelte und wand sich, und ich bin sicher, in diesem Moment hätte sie wie die kleine Meerjungfrau alle Schmerzen der Welt in Kauf genommen, hätte sie im Gegenzug zwei lauftüchtige Beine bekommen. (Das Bittere ist: Ich fürchte, die arme Geneviève musste in dieser Nacht alle Schmerzen der Welt ertragen - ohne dass ihr dafür irgendetwas geschenkt worden wäre.)
Stellvertretend für sie stieß ich einen lauten Schrei aus. Unser Peiniger war blitzschnell bei mir und knallte mir eine, so dass ich mit dem Kopf gegen die Tischkante krachte und für einige Momente das Bewusstsein verlor. Aber so einfach wollte er mich nicht davonkommen lassen. Er spritzte mir kaltes Bier ins Gesicht und zischte mich an: »Schau hin! Schau genau hin!« (Bis zum heutigen Tage habe ich nicht wirklich begriffen, warum es ihm so wichtig war, mich als Zeugin bei seinen Untaten dabeizuhaben. Ich kann lediglich vermuten, dass es seine Lust gesteigert hat, nicht nur ein Mädchen zu quälen, sondern ein zweites zu zwingen, ihm dabei zuzusehen.)
Es tut mir leid. Es geht nicht. Es geht einfach nicht. Ich kann über die Dinge, die sich in jenem Zimmer Numéro 117 abgespielt haben, nicht so berichten, als handele es sich um eine Fahrt auf der nächtlichen Autobahn. Ich finde die Worte nicht, mit denen sich beschreiben ließe, was die
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