Maenner in Freilandhaltung
quatschen oder zusammen lachen konnte.
Mit Jette machte es sogar Spaß, zusammen zu weinen. Während wir einträchtig nebeneinander vor der großen Granitarbeitsplatte standen, Zwiebeln schnitten und uns dabei die Tränen über die Wangen kullerten, bewunderte ich, mit welcher Geschicklichkeit und Schnelligkeit Jette das Küchenmesser auf und ab sausen ließ. Gleichzeitig schaffte sie es sogar noch, mich dabei anzusehen, meine Schneidetechnik zu korrigieren und ganz entspannt mit mir zu plaudern.
Nachdem ich ein bisschen von meiner Arbeit in der Kanzlei erzählt hatte – im Gegensatz zu Jette legte ich das scharfe Messer dabei lieber beiseite, aber ich war ohnehin schnell fertig mit meiner Schilderung, denn was gab’s von meinem Job schon großartig Spannendes zu berichten? –, lüftete Jette das Geheimnis, warum sie mit dem Messer in der Hand so meisterlich hantieren konnte: jahrelanges hartes Training. Sie war gelernte Köchin und hatte bis vor ein paar Monaten in einem Sternerestaurant in Hamburg gearbeitet.
» Du – Köchin in einem Nobelrestaurant?«, fragte ich ungläubig.
»Ja sicher, warum nicht?« Jette stemmte die Hände in die Hüfte, die beneidenswert schmal war. Zwar konnte ich mich, was meine Figur betraf, auch nicht beklagen, aber von 90–60–90 war ich mit Sicherheit weiter entfernt als Jette, die meine überraschte Nachfrage irgendwie in den falschen Hals bekommen hatte. »Ich sag’s ja immer wieder: Diese ganzen Kochshows im Fernsehen sind echt diskriminierend«, schimpfte sie aufgebracht. »Dem Zuschauer wird der Eindruck vermittelt, dass in der gehobenen Gastronomie ausschließlich Männer hinter dem Herd stehen. Natürlich alle wahnsinnig telegen ... Glaub mir, es gibt auch viele weibliche Spitzenköche, die ausgesprochen ...«
Bevor Jette sich weiter in Rage reden konnte – für meinen Geschmack fuchtelte sie dabei entschieden zu viel mit dem Messer in der Luft herum –, unterbrach ich sie schnell: »Es wundert mich nicht, weil du eine Frau bist, sondern weil du so eine spitzenmäßige Figur hast.«
»Oh, okay. Na dann ... danke für das Kompliment. Ich schätze, dass ich trotz meines Berufes keine Gewichtsprobleme habe, liegt daran, dass ich von meiner Großmutter mütterlicherseits nicht nur dieses Haus, sondern auch die Gene geerbt habe.«
Dieser Großmutter oder vielmehr ihren Ersparnissen hatte Jette es zu verdanken, dass sie nach der Schließung des Restaurants, in dem sie gearbeitet hatte, nun für ein paar Monate beruflich pausieren konnte, um endlich ihren lang gehegten Wunsch, ein Kochbuch zu schreiben, in die Tat umzusetzen.
»Ich habe sogar schon einen Verlag gefunden, der daran interessiert ist, es zu veröffentlichen«, erzählte Jette nicht ohne Stolz in der Stimme. Bei jedem anderen hätte das möglicherweise ein wenig angeberisch geklungen, mit Jette hingegen musste man sich einfach über den Erfolg freuen. »Reich werde ich dabei sicher nicht, aber was soll’s.«
»Weißt du schon, was du machen wirst, wenn das Buch fertig ist?«
»Keine Ahnung.« Jettes Stirn umwölkte sich. Ein paar Sekunden später lachte sie jedoch schon wieder unbekümmert. Zukunftssorgen waren ihr sicherlich ebenso fremd wie Diäten. »Aber irgendwas wird sich bestimmt finden.«
Davon war ich bei einer Frau wie Jette überzeugt. Sie schien mir ein echtes Stehaufmännchen zu sein, das aus jeder Situation das Beste zu machen verstand. Davon bekam ich gleich eine kleine Kostprobe.
Nach einem schnellen Blick auf die Uhr, die über der Eckbank hing, sagte Jette: »Schade, für Wein ist es noch ein wenig früh. Ich habe nämlich einen fantastischen Rotwein im Keller gebunkert. Aber den trinken wir ein anderes Mal.« Sie grinste verschmitzt. »In Anbetracht der Uhrzeit werden wir wohl eine Flasche Sekt köpfen müssen.«
Hervorragende Idee. Die Frau wurde mir immer sympathischer!
»Weißt du schon, wie lange du in Hasslingdorf bleiben wirst?«, fragte Jette, während wir mit einem Gläschen Sekt anstießen.
»Bis meine Schwester aus der Kur zurück ist.«
Jette legte den Kopf schief und sah mich durchdringend an. »Mir brauchst du nichts vorzumachen. Ich weiß, dass deine Schwester nicht zur Kur gefahren ist.«
Komisch, in diesem Punkt schienen sich alle einig zu sein.
»Seid ihr befreundet? Ich meine, du und Nina?«, fragte ich ausweichend.
»Befreundet ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt. Ich wohne ja noch gar nicht so lange hier und Nina auch nicht. Aber man trifft sich auf
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