Maenner in Freilandhaltung
alles in allem ziemlich pflegeleicht war. Ich sollte mich wirklich glücklich schätzen.
»Scheint so, als würde dir die Arbeit nicht ausgehen. Sicher läuft dein Laden bombig.«
»Anfangs habe ich mich gerade so mit Ach und Krach über Wasser gehalten«, gab Jan unumwunden zu, »aber mittlerweile kann ich recht gut davon leben.«
Jans Begeisterung war ansteckend. Ich hätte noch stundenlang zuhören können, wie er von seiner Hundeschule erzählte. »Klingt mehr nach Hobby als nach Beruf. Da kann man ja direkt neidisch werden. Es muss toll sein, so in seiner Arbeit aufzugehen.«
»Ja, sicher.« Jan quittierte meine Bemerkung mit einem überraschten Seitenblick. Für ihn schien es das Normalste von der Welt zu sein, einen Job zu haben, der ihn nicht nur satt, sondern gleichzeitig auch glücklich und zufrieden machte. »Entweder man ist mit vollem Herzen dabei, oder man sollte es besser lassen. Wenn du mich fragst, gilt das nicht nur für die Arbeit, sondern für alles im Leben. Aber wie sieht es mit dir aus?« Jan betrachtete mich forschend. »Was machst du eigentlich beruflich?«
»Ich bin Steuerberaterin.«
»Steuerberaterin, soso. Nun ja, die Interessen sind eben verschieden ...« Jan grinste, doch dann wurde er wieder ernst. »Liebst du denn deine Arbeit?«
Wenn ich ehrlich war, hatte ich mir diese Frage noch nie gestellt. Männer, Kinder, Tiere, von mir aus auch Blumen und Schokolade – so etwas konnte man lieben. Aber seinen Job? »Ich glaube, ich bin eine ziemlich gute Steuerberaterin«, antwortete ich ausweichend.
»Das glaube ich dir aufs Wort. Aber das habe ich nicht gefragt.«
Mann, der war aber hartnäckig!
»Gehst du morgens gerne, also wirklich mit Begeisterung zur Arbeit?«, hakte Jan noch einmal nach.
Simons Gesicht mit dem kleinen Grübchen tauchte vor meinem inneren Auge auf, er lächelte und schien mir verschwörerisch zuzublinzeln. »Ja«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Wenn ich’s mir recht überlege, kann ich es morgens kaum erwarten, in die Kanzlei zu kommen.«
Den Grund dafür verschwieg ich lieber. Natürlich hätte ich einfach behaupten können, dass Steuerberaterin schon immer mein Traumberuf gewesen war. Während andere kleine Mädchen Primaballerina werden wollten, hatte ich tief in meinem Inneren den Wunsch verspürt, arme Bürger vor dem bösen, geldgierigen Fiskus zu beschützen. Aber das Märchen hätte Jan mir im Leben nicht abgekauft! Sogar die Geschichten der Brüder Grimm waren glaubwürdiger. In Wirklichkeit hatte ich lange Zeit keinen blassen Schimmer gehabt, welchen Beruf ich ergreifen sollte. Ich besaß weder eine kreative Ader wie Nina, noch konnte ich so gut kochen wie Jette. Dafür arbeitete mein Gehirn wie ein Taschenrechner. Was also lag näher, als diese Gabe auch beruflich zu nutzen? Hinzu kam, dass ich mich – so komisch das auch klingen mochte – ausgerechnet in der nüchternen Welt der Zahlen sicher und geborgen fühlte. Man erlebte keine bösen Überraschungen. Alles hatte seine Ordnung. Es gab klare Regeln und Gesetze. Und hatte man alles richtig gemacht, ging die Bilanz am Ende auf. So einfach war das. Allerdings fiel es mir schwer, das jemand anderem zu erklären. Versuchte ich es dennoch, wurde ich häufig belächelt.
Zum Glück stellte Jan jedoch keine weiteren Fragen mehr. Stattdessen konzentrierte er sich nun wieder voll und ganz auf Ernie. Auch wenn es nicht mein, sondern Daniels Geld war, das für Ernies Unterrichtsstunden draufging, so musste ich zugeben, dass Jans Erziehungsratschläge sich auch für mich bereits bezahlt gemacht hatten. Zwar trat man seit Neuestem fast überall im Haus auf angenagte und angesabberte Schweineöhrchen, aber dafür ließ Ernie meine Schuhe weitgehend unbehelligt. Wofür ich mich, als wir uns verabschiedeten, bei Jan bedankte.
»Freut mich, dass ich euch helfen konnte.« Er bedachte erst Ernie und dann mich mit einem warmen Lächeln. »Wir sehen uns dann bei der Welpenspielstunde. Wenn es vorher Probleme gibt – du weißt ja, wo du mich findest.«
Beim Stichwort »Probleme« fiel mir der Streit mit meinem Schwager wieder ein und dass ich, wenn es nach Daniel ginge, vermutlich längst im ICE Richtung Düsseldorf säße. Komischerweise missfiel mir diese Vorstellung jetzt fast noch mehr als am Morgen. Aber die Art von Problemen hatte Jan wohl kaum gemeint, als er mir seine Hilfe angeboten hatte. Damit würde ich allein klarkommen müssen. Allerdings hatte er schon mehr für mich getan, als ihm
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