Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
16.40 Uhr,
Kriminalkommissariat, Westerland
»Jetzt sag schon«, drängt Sven Winterberg.
»Wem diese Handynummer gehört, das ratet ihr nie.« Silja sieht die Kollegen fassungslos an.
»Müssen wir auch nicht, weil du uns nämlich umgehend aufklären wirst«, entgegnet Bastian streng. »Oder willst du jetzt dem verehrten Doktor Bernstein von der Gerichtsmedizin in puncto Geheimniskrämerei Konkurrenz machen?«
Silja schüttelt langsam den Kopf und murmelt: »Das ist echt verwirrend.«
»Jetzt mach schon.« Auch Bastian ist die Ungeduld deutlich anzumerken.
Silja antwortet zunächst nur mit einem einzigen Wort. »Behrmann.«
»Der Umweltaktivist?« Bastians Stimme klingt ungläubig.
»Eben jener. Die Handynummer gehört eindeutig Jens-Uwe Behrmann, der Ikone jeder linken Politik in dieser Republik.«
»Woher weißt du das?«, fragt Sven zweifelnd.
»Kann ich nicht verraten. Aber ich habe die Info aus sicherer Quelle. Das könnt ihr mir glauben.« Silja deutet auf ihr Handy.
»Und wenn der anonyme Anrufer nun zufällig die heilige Handynummer von Behrmann hatte und ihm ganz nebenbei eins auswischen will? So etwas soll es unter Politikern ja geben. Wir können uns da ziemlich die Finger verbrennen.« Sven klingt immer noch sehr skeptisch.
»Außerdem lebt der Typ auf dem Festland«, ergänzt Bastian und denkt kurz nach. »Andererseits rennen uns die Verdächtigen ja nun nicht gerade die Bude ein, oder? Und unsere allseits verehrte Staatsanwältin wetzt drüben in Flensburg sicher schon die Messer. Also, was wissen wir über ihn?« Bastian blickt erwartungsvoll in die Runde.
Silja hackt wie verrückt auf ihre Tastatur ein. »Jens-Uwe Behrmann 38 Jahre alt, hat in Karlsruhe Volkswirtschaft studiert und eine beeindruckende Parteikarriere hingelegt. Er ist seit 19 Jahren Mitglied, genauso lange wie bei Greenpeace übrigens. Vor vier Jahren hat er sich eine Auszeit gegönnt, um zu promovieren. Nach nur zwei Jahren war er fertig. Summa cum laude, übrigens.«
»Das heißt heutzutage ja gar nichts«, brummt Bastian und fügt fragend hinzu: »Was ist mit dem Privatleben?«
»Behrmann hat eine Frau und drei kleine Kinder, Drillinge witzigerweise, mit denen er in der Nähe von Husum auf dem Land lebt. Der Typ ist tatsächlich der Saubermann der deutschen Politik. Keine Skandale, keine Geschichten. Natürlich könnte ich jetzt noch jede Menge Details liefern, aber brauchen wir die wirklich?«
»Im Moment nicht, danke. Hast du etwas über Behrmanns Verbindung zu Sylt?«, will Bastian wissen.
»Behrmann ist nicht nur hier geboren und aufgewach- sen, sondern hat offenbar auch in den Jahren, als er seine Doktorarbeit schrieb, regelmäßig hier gewohnt. Allerdings hat er über Windkraft als Zukunftstechnologie promoviert. Da lag Sylt als Aufenthaltsort nicht gerade nahe, oder? Schließlich haben wir bis heute auf der Insel nicht eine einzige Windkraftanlage, obwohl die Wiesen auf dem Festland schon lange mit diesen hässlichen Flügelrotoren gepflastert sind.«
»Lass mal sehen.«
Bastian beugt sich über Siljas Schulter und scrollt an ihrem Bildschirm. »Dass Behrmann hier geforscht hat, begründet er in einem Interview vom …«, er scrollt weiter nach unten, bis er die entsprechende Angabe findet, »… vom letzten Februar mit seinen familiären Wurzeln. Seine Mutter hatte Parkinson und war einige Jahre vorher gestorben. Behrmann hatte sie häufig besucht und dabei die Ruhe auf der Insel zum Arbeiten genutzt.«
»Kein Wunder, wenn ich zu Hause drei tobende Kinder hätte, würde ich auch sehen, dass ich fliehen kann«, murmelt Sven.
»Ich dachte, du bist so ein leidenschaftlicher Vater«, wirft Silja ein.
»Schon. Aber nicht, wenn ich arbeiten muss.«
»Ihr könnt euch nachher über Kindererziehung unterhalten. Ich bin nämlich noch lange nicht fertig.« Wieder sucht Bastian nach einer Information auf Siljas Bildschirm. »Nach dem Tod von Behrmanns Mutter erbte er ihre Eigentumswohnung und hat dann dort nach eigenen Angaben – auch in diesem Interview – fast zwei Jahre lang jedes Wochenende in strenger Klausur verbracht, um die Arbeit fertigzuschreiben.«
»Und was ist daran für uns so interessant?«, erkundigt sich Silja stirnrunzelnd.
»Die Wohnung. Sie liegt im Westerländer Kurhauskomplex. Es wäre also denkbar, dass Behrmann von seiner Bude aus den ganzen Strand überblicken kann. Wenn er die beiden Rothaarigen nicht selbst umgebracht hat, was mir als Hypothese immer noch ziemlich gewagt
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