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Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi

Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi

Titel: Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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für einige Wochen zusammenfindet, obwohl er sonst über die Republik verteilt wohnt. Andere, vor allem Ehepaare, kommen schon seit vielen Jahren zur gleichen Zeit und freuen sich darauf, am Strand auf alte Bekannte zu treffen, die der Insel ebenfalls Sommer für Sommer ihre Referenz erweisen. Sylt ist schlicht und einfach kein Reiseziel für Einzelreisende, und wäre die Rothaarige eine Touristin gewesen, dann hätte es mit Bestimmtheit Menschen gegeben, die sie auch hier auf der Insel vermissen.
    Also kommt nur noch die andere Möglichkeit in Frage. Die schöne Unbekannte hat sich illegal auf der Insel aufgehalten. Aber wovon hat sie dann gelebt? Wo hat sie gearbeitet? Als Putzfrau? Bei dem Aussehen? Wohl kaum. Bleibt noch die Halbwelt. Auch wenn die auf Sylt erstaunlich bürgerlich daherkommt. Wenn schon die Besitzerin des einzigen Inselpuffs im Kirchenchor singt und auch sonst gesellschaftlich voll integriert ist, dann kann man abenteuerliche Spekulationen über Mädchenhandel und Ähnliches gleich steckenlassen. Das ist Stoff fürs Fernsehen, aber nichts, was mit der Sylter Realität zu tun hat, davon ist Bastian fest überzeugt.
    Die Maschine zeigt durch ihr hohles Blubbern an, dass der Kaffee fertig ist, und Bastian füllt einen großen Becher. Nach den ersten Schlucken lehnt er sich weit aus dem Fenster, um wenigstens etwas von dem zögerlich wehenden Lüftchen abzubekommen, das die Mittagshitze erträglich macht. So einen plötzlichen Wetterumschwung habe man selten auf der Insel erlebt, sagen die Kollegen, und Bastian glaubt es gern. Er ist erst im letzten Jahr nach Sylt gezogen. Ausgerechnet kurz nachdem seine Beziehung zur Kollegin Silja Blanck in die Brüche gegangen war, hat man ihn aus Flensburg hierher versetzt. Bei der Wohnungssuche war Sven Winterberg unerwartet hilfreich, denn im Haus seiner Eltern war gerade die Souterrain-Wohnung frei geworden. Ein Glücksfall bei der Wohnungsknappheit und den daraus resultierenden Preisen auf der Insel. Jeder Leerstand wird so schnell wie möglich in eine Ferienwohnung umgewandelt, denn damit verdient man sich als Vermieter eine goldene Nase. Längst sind bezahlbare Wohnungen für die Sylter Bevölkerung eine Rarität geworden.
    Aber Meret und Hannes Winterberg wollten jemand Verlässlichen in ihrem Haus wissen, und außerdem hat sich Bastian verpflichtet, den beiden alten Leutchen bei der Gartenpflege zu helfen. Am Vormittag hat er schon den Rasen gemäht und auch der Hecke, die das Grundstück umgibt, eine frische Frisur verpasst. Als Dank dafür steht jetzt in seiner winzigen Küche ein halber Apfelkuchen von Oma Meret, wie die Mutter des Kollegen in der ganzen Nachbarschaft genannt wird. Das Haus der Winterbergs steht im Süden von Westerland, in der sogenannten Vögelei. Der Spitzname rührt von den Vogelnamen, die die Straßen dort tragen, und ist wohl auch ein wenig dem Umstand geschuldet, dass es früher südlich des Bahnhofs die eine oder andere Bar gab, wo die Damen die Gäste zu später Stunde und gegen Bares noch diskret mit aufs Zimmer genommen haben. Doch das ist längst vorbei. Das Viertel ist mittlerweile eine durch und durch bürgerliche Wohngegend mit kleinen Einzel- und Reihenhäusern, in denen die friesische Nachbarschaft noch ziemlich unbeeinflusst von den Touristenströmen funktioniert.
    Fahrig streicht sich Bastian Kreuzer übers Gesicht. Nur zu gern lässt er seine Gedanken schweifen, um nicht über diesen vertrackten Fall nachdenken zu müssen. Weiter bringt ihn das natürlich nicht. Und er muss sich bald etwas einfallen lassen, sonst wird Elsbeth von Bispingen, die zuständige Staatsanwältin, sauer. Und das kann ziemlich ungemütlich werden. Wenn nur der Autopsietermin schon feststünde. Aber vielleicht kann ein Gespräch mit dem Rechtsmediziner das Ganze ja etwas beschleunigen.
    Bastian greift zum Telefon und hat Glück. Dr. Bernstein hebt sofort ab.
    »Wenn das keine Gedankenübertragung war«, begrüßt er den Kommissar fröhlich. »Gerade habe ich unsere Liste durchgesehen. Ihre schöne Tote wäre als Nächstes dran. Kommen Sie vorbei, oder passt es später besser?«
    »Wenn’s gleich geht, ist es super. Bin in 20 Minuten bei Ihnen«, antwortet Bastian. »Ich brauche nämlich dringend neuen Input.«
    »Okay, ich bereite alles vor, dann können wir nach Ihrer Ankunft loslegen.«

Samstag, 18. Juni, 14.40 Uhr,
Nordseeklinik Westerland
    In den letzten 24 Stunden scheint die Tote vom Strand noch ein zweites Mal gestorben zu

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