Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
sich erst seit kurzer Zeit hier befindet. Denn in der Nacht von Margas Verschwinden hat es einen weiteren kleinen Zwischenfall gegeben, von dem sie bisher wohlweislich niemandem erzählt hat – und schon gar nicht der Polizei.
Christa Mönchinger hat ihre Schwägerin den ganzen Abend über sehr genau beobachtet. Und als Marga sich nach ausführlichem Packen endgültig zum Gehen anschickte, ist Christa panisch aus ihrem Schlafzimmer gestürzt. Sie war in heller Aufregung, jedenfalls sollte das Marga so vorkommen. Mit wütender Stimme bezichtigte sie die Schwägerin eine Diebin zu sein. Es seien kostbare Dinge verschwunden. Ein Diamantring und eine Perlenkette, die beide angeblich gestern noch auf Christas Nachttisch gelegen hätten.
Marga machte den Fehler, sich auf ein Wortgefecht mit der Schwägerin einzulassen und ihr zum ersten Mal zu sagen, was sie wirklich von ihr hielt. Christa erinnert sich nur ungern an die hämischen Worte, die dabei gefallen sind. Ausgetrocknete Pflaume war noch eines der höflicheren. Aber sie ertrug die Beschimpfung relativ geduldig, schaffte es sogar, die Schwägerin zu immer neuen Worttiraden zu provozieren und schließlich in ein leichtes Handgemenge zu verwickeln. Dabei war es ihr gelungen, in die linke Tasche des Mantels der Schwägerin zu greifen. Denn Christa wusste von Margas Angewohnheit, dort sowohl ihr Handy als auch den Hausschlüssel hineinzustecken, bevor sie das Haus verließ.
Und während sie sich von Marga wüst beschimpfen ließ und diese gleichzeitig in Richtung Tür schubste, konnte Christa Schlüssel und Handy aus der Tasche ziehen. Marga richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Trolley, den sie ja auch noch aus der Tür bugsieren musste.
Wann die Schwägerin den Verlust von Handy und Schlüssel letztendlich bemerkt hat, wird Christa wohl nie erfahren. Jedenfalls ist Marga in der Nacht nicht zurückgekehrt. Christa hätte sie auch nicht hineingelassen, und Hubert, der natürlich alle zehn Minuten das verdammte Handy klingeln ließ, konnte der verhassten Schwägerin endlich auch nicht mehr helfen.
Ungeduldig öffnet Christa Mönchinger jetzt ihren geheimen Safe und zieht das gestohlene Handy heraus. Marga war leichtsinnig genug, es nicht mit einem Passwort zu sichern. Warum auch? Schließlich hat sie das verdammte Ding ja Tag und Nacht am Körper getragen wie einen frisch geborenen Säugling.
Christa Mönchinger schaltet den Apparat an und ruft zielstrebig die Liste der abgehenden Anrufe auf. Sie findet sehr schnell, wonach sie gesucht hat. Alle ein bis zwei Wochen hat die Schwägerin eine Handynummer angewählt, die nicht im ohnehin kärglich bestückten Adressverzeichnis vorhanden ist. Und in der Nacht ihres Verschwindens hat sie gleich zweimal dort angerufen. Nachdenklich tippt Christa auf die Wahlwiederholungstaste. Dann presst sie das Handy aufgeregt ans Ohr.
Donnerstag, 23. Juni, 14.06 Uhr,
Pizzeria Tino, Westerland
Mit einem Stöhnen lässt Bastian Kreuzer sich auf die Polsterbank fallen. Das Bier und die Pizza hat er gleich vorn beim Tresen bestellt und Sven Winterbergs Wunsch nach einer Apfelsaftschorle und einem Salat nur mit einem Kopfschütteln kommentiert.
»Ich weiß schon, was du jetzt sagen willst, Kumpel. Kein Alk im Dienst. Aber erstens ist es nur Bier, und zweitens finde ich, dass besondere Situationen auch besondere Maßnahmen erfordern. Vielleicht flutscht es auf den Gedankenbahnen ja besser, wenn man sie ein bisschen ölt.«
Sven lacht nur, dann bemerkt er Bastians angespannten Blick auf die Uhr. »Du hast recht, eigentlich können wir uns eine Mittagspause beim Italiener gar nicht leisten. Wir müssten längst bei diesem Analytiker oben in List sein. Aber du warst es doch, der unbedingt hier in Westerland noch was essen wollte. Ich hätte gegen ein paar Scampi am Hafen auch nichts gehabt.« Als Bastian nicht gleich reagiert, schlägt sich Sven plötzlich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Was rede ich eigentlich? Dir geht’s doch um ganz was anderes. Es ist wegen Silja, stimmt’s? Wann kommt ihr Zug an?«
»Halb drei«, murmelt Bastian, um gleich darauf mit energischer Stimme fortzufahren: »Und bis dahin sollten wir beide einen brauchbaren Schlachtplan entworfen haben. Vor allem müssen wir uns darüber klarwerden, ob wir von der Ein-Täter- oder von der Zwei-Täter-Theorie ausgehen wollen.«
»Haben wir das nicht längst entschieden? Sonst würden wir ja wohl kaum erwägen, Hubert Mönchinger am Nachmittag aus unserer
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