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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Vergewaltiger gegenüber zum Täter werden, indem sie ihm entweder die Zunge abbeißen und mit dem Stück weglaufen, ihn mit einer Handarbeitsschere kastrieren oder mit einer Konservendose aus dem Einkaufskorb hirntot schlagen, wohlige Schauer über den Rücken.
    Weil ich persönlich aber Probleme mit derart unappetitlichen Handgreiflichkeiten gehabt hätte und eine Konservenbüchse ja auch nicht immer zur Hand war, hatte ich bei Parkdurchquerungen nach Einbruch der Dämmerung ein Springmesser mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge quer im Mund und das Hunde- und Menschen-Abwehr-Spray in der linken Hand. So und mit einer Geschwindigkeit von hundertfünfzig Stundenkilometern ließ sich jede Grünanlage völlig angstfrei durchqueren.
    Auch heute fuhr ich unbehelligt durch das gefährliche Terrain, vielleicht nicht zuletzt, weil ich durch die zusammengebissenen Zähne - die mussten ja das Messer halten - »Denn heilig ist das Blut für die Freiheit verspritzt vom Heldenmut« sang. Jedenfalls traute sich kein gemeiner Feld-Wald-Wiesen- und Straßenbahnhaltestellenvergewaltiger aus dem Gebüsch, bis ich wohlbehalten bei meiner glücklichen Cousine Zarah angekommen war, die mit ihrer Familie eine wundervolle Villa direkt an der Rheinpromenade bewohnte.
    Sie war wirklich ein Mensch, den man beneiden konnte, klug, schön und erfolgreich. Zu allem Überfluss hatte sie einen Mann geheiratet, dessen einziger Makel war, auf den Namen Gottlieb Landström getauft zu sein. Dafür hatten ihre drei Kinder umso nettere Namen, die wunderbar zu ihren kleinen Stupsnasen und ihrem skandinavischen Nachnamen passten. Es waren wirklich süße Kinder.
    Lars und Nils fielen mir zur Begrüßung um den Hals, Lennart umklammerte fröhlich meine Beine.
    »Sie freuen sich schon den ganzen Tag auf dich«, sagte Zarah listig. »Dich mögen sie viel lieber als meine Schwester.«
    Ich war geschmeichelt. Es waren wirklich süße Kinder. Zarah zeigte mir sämtliche Vorräte in allen Schränken und schlug vor, den Kindern ein gesundes Abendessen aus Salat und Pellkartoffeln und gedämpften Möhrchen zu kochen. Ich könne alles stehen- und liegenlassen, die Zugehfrau käme morgen und kümmere sich darum.
    Bevor Zarah und Gottlieb in Abendkleid und Smoking das Haus verließen, bedankten sie sich noch einmal so überschwänglich fürs Babysitten, dass es mir schon peinlich war, und versprachen, vor dem Frühstück wieder zurück zu sein.
    Natürlich schlug ich ihre Ratschläge bezüglich des urgesunden, knackigen Nachtmahls in den Wind und ließ die Kinder wählen, was wir kochen sollten. Sie waren begeistert und ich auch, weil sich ihre Vorschläge exakt mit meinen Gelüsten deckten.
    Wir machten ungesunde Pommes frites in der Fritteuse und ungesunde Schokoladeneisshakes im Mixer, dass die Küche nur so vollspritzte. Ich dachte mit schlechtem Gewissen an die arme Zugehfrau, aber die Jungs überschlugen sich mit Komplimenten für mich.
    »Bei dir ist es viel schöner als bei Simone«, sagten sie.
    Simone war meine gediegene Cousine, die mit Pietäten-Ralf von Bestattungen Kühl und Söhne verlobt war.
    »Die hat überhaupt keinen Mohr!«, meinte Lennart.
    »Du meinst, keinen Humus«, verbesserte Nils kichernd.
    »Keinen Mohr.«
    »Humus!«
    »Mohr!«
    »Ihr habt beide recht, Mann. Es heißt Humor, ihr Flaschen«, sagte Lars, bevor ich überhaupt kapiert hatte, worum es ging.
    Lennart mochte keine Fritten und bekam Brot.
    »Ich will Schokoladensenf drauf haben«, forderte er.
    »Er meint Nutella«, erklärte mir Nils. »Zu Mandarinen sagt er ›Kratzeapfelsinen‹ und zu Marzipan ›Essknete‹, komisch, was?«
    Sie waren wirklich süß.
    Als wir satt waren und die Küche aussah wie das Epizentrum eines Erdbebens der Stärke Sieben auf der beliebten Richterskala, setzte ich mich mit ihnen in die Kaminecke und las aus Tausendundeiner Nacht von den Reisen Sindbad des Seefahrers vor. Nach der zweiten Reise meinte ich, dass es für die Kinder an der Zeit sei, das Bett aufzusuchen.
    Sie verlegten sich auf schmeichelhaftes Bitten: »Bitte lies noch weiter. Keiner kann das so gut wie du.«
    »Es ist gerade so spannend, bitte, bitte.«
    »Mehr Bindsad, mehr Bindsad!«
    Nach Sindbads vierter Reise versagte meine Stimme.
    »Jetzt ist es aber wirklich Zeit«, flüsterte ich.
    Die Jungs gingen ohne Widerspruch die Treppe hinauf. Sie teilten sich einen Raum unterm Dach mit einer gigantischen Bettlandschaft in zwei Metern Höhe, mit Schaukeln, Takelagen und

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