Maenner und andere Katastrophen - Roman
dabei.
Den Ralf, den zog's zum Militär,
die Trennungszeit war für beide schwer.
Die Moni manche Träne weint,
doch in der Bank wohl fleißig lernt.
Und als sie geht auf die Bankakademie,
der Ralf wird ein Versicherungsgenie.
Seeeehet einmal den Bräutigaaaam, er schaut die Braut
lieb aaaan, kann ihr nischt widerstehehehen.
Nach zwei Probedurchgängen nahmen wir schließlich im Festsaal Aufstellung.
Der Stiernacken hielt eine Ansprache, in der er anschaulich von so manchen Schwierigkeiten erzählte, die er beim Zusammenreimen der Verse gehabt hatte, die nun mit stimmfreudiger Unterstützung der ganzen Familie vorgetragen werden sollten. Auf seinen Einsatz hin schmetterte der gemischte Chor los. Während der ersten Strophen hatte ich noch gegen einen leicht hysterischen Lachanfall zu kämpfen, aber der monotone Gesang hatte glücklicherweise ab der zehnten (Kata-) Strophe eine eher einlullende Wirkung.
Aber nicht auf das atemlos lauschende Publikum. Nach dem letzten »Seeeht einmal den Bräutigaaaam« brach die Festrunde in donnernden Applaus aus, und das Brautpaar bedankte sich mit Tränen der Rührung in den Augen.
Als der Chor schließlich nach einer Viertelstunde Standing-Ovations abtreten durfte, stellte ich mich still in eine abgelegene Ecke.
Mo, der nicht hatte mitsingen müssen, weil er das Konzert für die Nachwelt auf Video aufgezeichnet hatte, spürte mich auf und grinste: »Das wäre mal was für deinen Geburtstag, was?«
»Haha«, sagte ich völlig humorlos.
»Die Juuuuuuudith wird heut' wunderbaaaaaar, schon siebenundzwanzig Jaaaaaaahr ...«, sang er und spielte auf einer imaginären Gitarre. »Sie waaar schon in der Wiege frooooh, schiss in die Windeln sowiesooo-hoho, heute steht sie auch fein daaaa, mit wunderlichem Haaaaaaar, war beim Friseur jajaaajajaja, mit Männern hat sie's auch nicht leicht, sie sagt zu oft, es reicht, da wird sie niemals froooooh ...«
»Es reicht wirklich«, sagte ich erschöpft und flüchtete zurück an den Tisch.
Die Ein-Mann-Kapelle hatte ihre Elektroorgel angeworfen und spielte ein Ufftata-Liedchen nach dem anderen. Polyacryl und Jersey drehten sich mit leger gelockerten Krawatten paarweise auf der Tanzfläche.
»Warum tanzt ihr nicht auch mal«, forderte Mama uns wiederholt auf.
Mo schnappte sich augenblicklich die Videokamera und sagte geschäftig, er müsse die Akkus aufladen, und Rebecca behauptete, Tanzen schade ihrem ungeborenen Kind. Ich seufzte und verlangte nach mehr Wein. Ich konnte mir augenblicklich nichts Schlimmeres vorstellen, als mich unter die Tanzenden zu mischen. Außerdem hatte ich direkt erkannt, dass die anderen nicht bei Pickel und Strauß, sondern bei der Konkurrenz gelernt hatten und beim Chachacha an ganz anderen Stellen den Kick machten.
Abgesehen davon fragte mich auch keiner.
Rebecca legte theatralisch die Hände auf ihren superflachen Dreimonatsbauch und versuchte, möglichst schwanger und manövrierunfähig dreinzuschauen. Ich beneidete sie heftig.
Mama sah mich so bekümmert an, dass ich ganz unruhig wurde.
»Unsere Judith tanzt so gern«, vertraute sie einer nebensitzenden direkten Tante des Bräutigams an. »Aber sie hat augenblicklich keinen festen Partner und ist allein hier.«
Um den mitleidigen Blicken der Tischrunde zu entgehen, tanzte ich eine Art Walzer mit meinem Vater, der weder bei Pickel und Strauß noch bei der Konkurrenz jemals seinen Fuß aufs Parkett gesetzt hatte. Aber lange hielten wir es auf der Tanzfläche nicht aus, denn immer, wenn er mich an einer Polyacrylbluse vorbeischob, stoben die Funken, und ich bekam einen gewischt. Es war lebensgefährlich.
Zu vorgerückter Stunde spielte der Alleinunterhalter dann zum vorläufigen Höhepunkt des Tages auf: Polonaise Blankenese. Alle reihten sich aneinander und stampften lachend durch sämtliche Säle des Restaurants.
»Ich dachte, das sei nur an Karneval erlaubt«, sagte Rebecca überwältigt.
Mo stellte sich mit frischen Akkus auf einen Tisch und filmte das fröhliche Treiben aus sicherem Abstand, aber Rebecca und ich taten Mama den Gefallen, waren keine Spielverderber und stampften ein paar Runden in der Schlange mit.
Hätten wir gewusst, dass die Polonaise nur den Auftakt zum angekündigten Höhepunkt darstellte, hätten wir uns sicher auf dem Klo verbarrikadiert. So aber waren wir gezwungen, gute Miene zum wahrhaft bösen Spiel zu machen.
Immer wenn der Alleinunterhalter die Polonaise stoppte und ausrief: »Nasi, Nasi, Nasi«, musste man sich
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