Männer unerwünscht (German Edition)
„Gib ihm wenigstens eine Chance“, bettelte ich.
„Und wenn er dann plötzlich wieder abhaut?“
„Du brauchst ihn ja nicht gleich zu heiraten. Lass es ganz entspannt angehen und dann siehst du, woran du mit ihm bist.“ Dorissack, Beraterin in allen Lebenslagen.
„Meinst du ...?“ , flüsterte sie. Ihre Unterlippe zitterte.
„Geh gleich zu ihm ans Krankenbett und rede mit ihm! Das hättest du längst tun sollen.“
Geschafftgeschafftgeschafft!!! Doris, mehr konntest du nicht tun. Beim besten Willen nicht.
Steff nickte schluchzend. „Ach Doris, wenn ich dich nicht hätte ...“
Mir kamen beinah ebenfalls die Tränen. Eisern schluckte ich den Kloß im Hals hinunter. Sentiment a le Szenen sind nicht mein Ding.
Bärbel und Uschi hatten zum Glück noch nichts gegen Angelo unternommen. Ein furchtbares Unglück war passiert, womit der ungeliebte Untermieter vorübergehend in Vergessenheit geraten war: Butschi war entfl o gen, und zwar auf äußerst mysteriöse Weise. Bärbel war sich zu hundert Prozent sicher, seine Käfigtür he u te Morgen nach der Fütterung sorgfältig geschlossen zu haben. Jetzt stand sie sperrangelweit offen.
Ihr Fenster hatte sie zwecks Frischluftzufuhr geöffnet, räumte Bärbel ein. Aber Butschi war doch sicher in seinem Käfig eingesperrt gewesen, da konnte sie beruhigt zur Arbeit fahren, während ihr Zimmer durchlüftete - hatte sie gedacht.
Helle Aufregung. Eine lange Leiter lehnte an der großen Eiche. Bärbel stand in schwindelerregender Höhe auf der vorletzten Sprosse und rief: „Butschi! Buuuuutschi! Komm mein Kleiner! Mein Süüüüßer! Hab keine Angst, Mami kommt und holt dich.“
Der Nymphensittich hockte mit aufgeplustertem Gefieder etwa drei Meter über ihr in der Spitze des Baumes und antwortete mit einem kläglichen: „Bäbä? Bäbä ...“ Augenscheinlich wusste er mit seiner plötzl i chen Freiheit so gar nichts anzufangen.
Wir sahen eine Weile tatenlos zu. Ich merkte Steff an, dass ihr das Schicksal des Vogels momentan gleichgültig war. Es zog sie ins Hausinnere – zu Angelo. Ich verpasste ihr einen sanften Rippenstoß, zwi n kerte ihr aufmunternd zu und wünschte ihr und dem Simulanten insgeheim eine grandiose Versöhnung.
Obwohl ich für Butschi keine sonderlich große Sympathie empfand, eben weil er ständig „Bäbä!“ kreischte, hatte ich doch Mitleid mit ihm. Verwirrt flatterte er da oben von einem Ast zum anderen und wusste nicht, wie er sein heimeliges Zuhause mit Jod-S11-Körnchen, Knabberkräcker, Spiegelchen, Vogelbad und hygienisch-saugstarkem Vogelsand zurückerobern sollte.
Bärbel setzte ihr Leben aufs Spiel, als sie sich auf der obersten Sprosse balancierend nach dem Vogel ausstreckte. Uschi stemmte sich unten mit aller Kraft gegen die Leiter, damit diese nicht ins Wanken geriet. Butschis Nervenkostüm war dieser Strapaze nicht gewachsen. Als letzten Akt der Verzweiflung flog er plötzlich von der Eiche in die Spitze einer riesigen Tanne, die ungefähr zehn Meter weiter entfernt stand.
Bärbel heulte auf und stieg wimmernd die Leiter hinab. Gemeinsam mit Uschi schleppte sie das la n ge Ding zu der pieksigen Tanne. Dort versuchten sie verzweifelt, der Leiter auf dem unebenen Untergrund eine halbwegs standfeste Position zu verschaffen. Die Nadeln stachen Bärbel in die bloßen Arme und als sie die fünfte Sprosse erklommen hatte, stieß Butschi einen Schrei aus und flatterte auf den übernächsten A p felbaum.
Beim Anflug verschätzte er sich und stürzte mit einem markerschütternden „Bä...?“ ab. Er purzelte durch die Etagen und landete unsanft auf einem dicken Ast. Armer Butschi! Sein kleiner Körper bebte.
Bärbel heulte. „Den fang ich nie mehr ein. Er ist gar nicht mehr er selbst. Sonst fliegt er immer auf meine Schulter, wenn ich ihn rufe.“
Trotzdem schleppte sie wacker die lange Leiter zum Apfelbaum. Butschi saß nicht ganz so hoch vom Erdboden entfernt und Bärbel hatte eine faire Chance. Als sie jedoch die Leiter anlehnte, war Butschi schon wieder verschwunden. Zurück in die hohe
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