Männerfrei: Roman (German Edition)
Wirklich.
Plötzlich, auf der anderen Seite der Bleecker Street, entdecke ich jemanden, von dem ich nie gedacht hätte, ihn jemals wiederzusehen.
Er hat längere Haare und einen Bart, und er trägt ein Holzfällerhemd und eine Tarnhose und eine orangegetönte Fliegerbrille. Er lehnt an einer Fassade, raucht eine Selbstgedrehte und doziert in sein Handy. Ich kann ihn nicht hören, aber ich weiß, dass er doziert, weil er genau dasselbe Bild abgibt wie damals, als ich dreiundzwanzig war und er mir einen Vortrag über Blek le Rat hielt, während er sich Geld von mir » lieh«.
Es ist Arty Jonathan.
Ohne zu überlegen, überquere ich die Straße und gehe auf ihn zu. Ich höre, dass Bloomie und Kate mir hinterherrufen, doch ich ignoriere sie. Das ist der Kerl, mit dem alles angefangen hat. Das ist das Arschloch, das mich anschnorrte und meine Naivität ausnutzte und mich sitzen ließ, um mit seiner Freundin nach Paris zu fahren. Sicher, das ist nicht so schlimm wie das, was Rick mir angetan hat. Aber es war auch nicht gerade nett. Und das werde ich ihm sagen.
Ich bleibe direkt vor ihm stehen, nehme meine Sonnenbrille ab und schenke ihm ein strahlendes Lächeln.
» Hi! Kennst du mich noch?«
Arty Jonathan schiebt seine Sonnenbrille hoch und starrt mich an, dann murmelt er » Ich muss auflegen, Alter« in sein Handy. » Boa…«, sagt er. » Das ist ja abgefahren.« Er erinnert mich ein wenig an ein Reh im Scheinwerferlicht.
» Allerdings!«, stimme ich ihm zu und grinse von einem Ohr zum anderen. Ich werfe einen Blick hinter mich und sehe, dass Bloomie und Kate ein paar Meter entfernt stehen und uns anstarren. » Echt abgefahren! Wohnst du jetzt in New York?«
Er nickt und gewinnt sofort seine alte Lässigkeit zurück. » Ja, zuerst in Brooklyn, aber jetzt wohne ich in Queens, weißt du.«
» Und, versuchst du dich noch immer als Künstler?«
Er wirkt überrascht und leicht beleidigt. » Ja. Ich stelle in einer Galerie in Woodstock aus. Und ich manage eine Band.«
» Natürlich«, entgegne ich, nach wie vor lächelnd. Er ist so ein Blender. Und er sieht nicht einmal gut aus– er hat ganz gelbe Zähne. Ich kann nicht glauben, dass er mich jemals beeindruckt hat.
Plötzlich kommt eine Frau aus dem Geschäft, vor dem wir stehen. Sie ist Anfang zwanzig, hat sehr lange dunkle Haare und trägt eine Jeansshorts mit hohem Bund und ein kurzes verspieltes Top. Eine alternative Prinzessin, falls es so etwas gibt.
» Viiielen Dank, Jono, dass du gewartet hast«, sagt sie. Dann lächelt sie mich an und zeigt perfekte amerikanische Zähne. » Hallo, ich bin Keira. Bist du eine Freundin von Jono?«
» Ja, eine alte Freundin«, antworte ich nickend und erwidere ihr Lächeln. Armes Mädchen. Ich senke die Stimme und sehe ihr in die Augen. » Leih diesem Mann niemals Geld. Du darfst ihm nicht vertrauen. Und lass dich nicht von seinem Scheiß beeindrucken. Er hat null Talent.«
» Er ist mit Damien Hirst befreundet«, gibt sie zurück.
» Nein, ist er nicht«, widerspreche ich ihr sanft. » Er hat nur mal in derselben Kneipe wie Hirst verkehrt.« Ich drehe mich zu » Jono«, der ein Gesicht macht, als würde er gleich losheulen, und lächle ihn an. » Du schuldest mir mehr, als du jemals ahnst, ganz zu schweigen von der Kohle, die du dir von mir geliehen hast, um mit deiner Freundin nach Paris zu düsen, du beschissener Lügner. Aber das ist mir inzwischen egal. Hör einfach auf, nette junge Frauen auszunutzen. Wir haben etwas Besseres verdient.«
Ich drehe mich auf dem Absatz um und entferne mich, gefolgt von Bloomie und Kate, während Arty Jonathan sprachlos dasteht und seine Freundin mir » Leck mich am Arsch!« hinterherschreit (typisch New Yorker, ein Engländer würde sich so etwas nie trauen).
» Scheiße, wer zum Teufel war das?«, fragt Bloomie erschrocken.
» Der Kerl, mit dem alles angefangen hat«, antworte ich. Ich fühle mich fantastisch: beschwingt und glücklich. Und ich sehe die Dinge plötzlich völlig klar. » Arty Jonathan. Derjenige, der meine Serie von Kurzschlussreaktionen und Bruchlandungen ausgelöst hat. Hätte ich ihm das alles nur schon vor Jahren gesagt.«
» Ich dachte immer, du hasst Konfrontationen«, sagt Kate. Sie sieht mich mit einem leicht ängstlichen Blick an.
Ich runzle die Stirn. » Hab ich auch… Aber jetzt nicht mehr.«
» Kein Scheiß.«
» Was war das mit Paris?«, hakt Bloomie nach. Ich habe ihnen die Geschichte nie erzählt.
» Er hat sich von mir Geld geliehen und mich
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