Maennerschlussverkauf - Roman
heute verdient«, holt Tom mich aus meinen Gedanken zurück in dieses kleine bezaubernde Bistro und hält mir sein Glas zum Anstoßen entgegen.
»Ich glaube, ein bisschen mehr Alkohol könnte dem Laden da drüben hin und wieder nicht schaden«, erwidere ich und bekomme direkt nach der letzten Silbe Angst, dass er mich für bescheuert und außerdem für eine Alkoholikerin halten könnte, aber er lächelt nur und meint, dies sei sicher ein interessanter Vorschlag für das nächste Redaktionsseminar.
Anschließend studieren wir die Karte. Ich bestelle einen Salat der Saison an einer Paprika-Quiche und für danach eine Tarte au Chocolat (Manuel wäre stolz auf mich). Tom wählt irgendetwas Fleischiges und ebenfalls einen Nachtisch, aber ich bekomme nicht genau mit, was für einen, denn ich nutze die Chance, ihn endlich mal aus nächster Nähe zu betrachten. Tom ist nicht nur ein umwerfender Moderator, er sieht auch noch umwerfend aus.
Wirklich, er hat dunkle Locken, die er einen Tick zu lang trägt, was ihm einen Touch von Surferboy verleiht, wegen seiner unglaublich tiefgrüne Augen sieht er aber fast ein bisschen wie ein Philosoph oder zumindest wie ein Davidoff-Model aus. Ob er ohne Hemd auch wie … Okay, ich sollte aufhören, solche Sachen zu denken. Trotzdem glaube ich, dass sich Toms Attraktivität unterhalb seines Hemdkragens weiter fortsetzt. Auf jeden Fall hat er schöne Hände. Und einen tollen Hautton. Er sieht aus, wie ich nach drei Wochen Karibikurlaub mit Lichtschutzfaktor fünf. Nur ohne Sonnenbrand und in sexy! Um seine Augen hat er leichte Lachfältchen, was ihm neben dem Surferlook eine gewisse Reife verleiht und mich ständig an Mister Big aus Sex and the City erinnert. Die Lachfältchen bewegen sich jedenfalls, als Tom zu reden beginnt und mich so abermals zurück in die Realität holt.
»… ist ein riesiges Projekt, und du bist genau die Richtige dafür. Du bist so anders, Anna, ich glaube, ich habe lange Zeit keine Frau wie dich kennengelernt.«
Okay, das klingt definitiv nach Date!
»Wenn ich deine Beiträge sehe, habe ich jedes Mal das Gefühl, dass ich kein Fernsehen schaue, sondern mir eine gute Freundin eine Geschichte erzählt. Weißt du, so was nennt man auf der Journalistenschule ›Nähe zum Rezipienten‹. Und die hast du! Du bist eine Mischung aus Selfmade-Journalistin und Kamerakind, und das mag ich!«
Okay. Das klingt weniger nach Date, sondern eher nach einem Feedback-Gespräch mit dem Boss. Zudem habe ich trotz seiner netten Art das Gefühl, eben ziemlich beleidigt worden zu sein.
»Genau so etwas suche ich für die Fashion-Week-Show! Dieses gewisse Etwas. Flash! fehlt schon lange der Flow, wenn wir mal ehrlich sind. Jeden Tag die Cellulitefotos von Britney Spears, irgendwelche OP-Berichte aus der Botox-Klinik und betrunkene Türsteher mit Aufmerksamkeitsdefizit, das will doch auf die Dauer keiner sehen. Verena traut sich meiner Meinung nach zu wenig. Aber deine Beiträge, die sind anders, Anna! Das ist was Neues, etwas, das auf den anderen Kanälen noch nicht in der tausendsten Wiederholung läuft, und genau mit diesem Esprit können wir aus unserer Fashion-Week-Show etwas ganz Besonderes machen!«, begeistert sich Tom und schaut mich mit seinen enthusiastisch leuchtenden Augen an.
»Toll!«, erwidere ich etwas verwirrt und hebe mein Glas, während ich mir überlege, wann wohl der passende Zeitpunkt wäre, um ihm zu sagen, dass ich keine Ahnung davon habe, was ich tue, sondern dass ich einfach nur von einem Fettnäpfchen ins nächste tappe und zwischendrin darauf hoffe, dass Leonie und Manuel mich irgendwie retten.
»Deine MAZ heute, das war wirklich ein Riesenerfolg für Flash! , solche Quoten hatten wir noch nie!«, redet Tom weiter, und ich verlege mich auf ein begleitendes lächelndes Nicken. »Deswegen habe ich mir überlegt, wie es wäre, wenn du bei der Show einen Teil der Interviews übernehmen würdest«, fährt er fort und fügt, als er mein entsetztes Gesicht sieht, hinzu: »Natürlich sprechen wir die Fragen vorher ab, ich lasse dich nicht allein!«
Ich bin gerührt von seiner Fürsorge und überlege gleichzeitig, ob ich genug arschfreie Kleider auftreiben könnte, um ausreichend potenzielle Interviewpartner von meiner Kompetenz zu überzeugen. Das würde eine einzige Katastrophe werden!!!
»Aber genug vom Geschäftlichen. Das bekommen wir hin, da bin ich mir sicher«, sagt Tom, und eine seiner Locken fällt ihm in die Stirn.
Ich schmelze regelrecht dahin.
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