Maennerschlussverkauf - Roman
Dann werden mein Salat und sein, wie ich feststelle, halb rohes Fleisch serviert, und mein bezaubernder Moderator stellt mir eine vermutlich höfliche Frage.
»Du hast also Jura studiert? Das finde ich wirklich toll. Ich habe Politikwissenschaften studiert. Aber Jura, hey, da muss man schon wirklich Disziplin haben! Wieso hast du aufgehört?«
Erwischt. Mein Bedürfnis, mit Tom über meine Vergangenheit und vor allem über meinen Exverlobten zu reden, tendiert gegen null. Daher überlege ich mir eine unverfängliche Antwort und stochere zur Ablenkung in meinem Salat herum. Wie erkläre ich ihm bloß meine Geschichte, ohne dabei das gefährliche Marcel-Kapitel zu erwähnen? »Rede bloß nie mit potenziellen neuen Freunden über alte Freunde!«, höre ich Manuel sagen.
»Weißt du«, fange ich an und malträtiere meine Salatblätter beim Gedanken an Marcel noch ein bisschen heftiger, »eigentlich fand ich Jura nie so toll. Gut, ich habe immer gerne leidenschaftliche Plädoyers gehalten, allerdings eher für mich selbst, zum Beispiel vor meinen Eltern, als ich mit sechzehn unbedingt ein Bauchnabelpiercing wollte, und nicht um potentielle Mörder, Steuerhinterzieher und Kinderschänder zu verteidigen. Ich wollte eigentlich Touristik studieren, aber da besteht das halbe Studium aus BWL , und mit einer Fünf in Mathe war das keine gute Idee. Also habe ich erst mal mit Jura angefangen, so wie meine Mutter es immer wollte, und um mich dann später zu orientieren und vielleicht zu wechseln. Aber dann habe ich diesen Typen kennengelernt, Marcel. Seine Familie hat eine Anwaltskanzlei in fünfter Generation, angeblich haben sie früher die Kaiserfamilie beraten. Naja, und dann haben wir uns verliebt und irgendwie hat alles so gut gepasst, also habe ich einfach weiterstudiert. Irgendwann hat er mir dann einen Heiratsantrag gemacht, und meine Mutter hatte noch dieses Diadem, das sie damals für ihre Hochzeit gekauft hatte, aber niemals tragen konnte. Naja, und dann wollten wir irgendwie heiraten, und alles war super, bis ich ihn auf unserer neuen Couch mit einer anderen erwischt habe. Die beiden hatten keinen richtigen Sex, sie hat ihm nur einen geblasen, war wohl eine aus dem ersten Semester BWL , wie auch immer. Auf jeden Fall ist aus der Hochzeit nichts geworden, und ich musste aus unserer Wohnung raus, und irgendwie war alles ganz furchtbar kompliziert und na ja, dann hat Leonie gemeint, ich solle doch nach München kommen und es mal mit dem Boulevardfernsehen probieren, und das habe ich dann gemacht und … also jedenfalls sind wir beide jetzt hier.« Ich hole tief Luft und schaue Tom an.
Er sitzt mit offenem Mund da und starrt mich an.
»Jedenfalls … deswegen habe ich aufgehört, also mit Jura«, schiebe ich hinterher und lege die Gabel auf meine Serviette.
Das hätte ich wohl schon vorher tun sollen, denn mein hektisches Hacken ist nicht ohne Folgen geblieben. Mein Salat sieht aus wie vegetarisches Hackfleisch und Toms weißes Hemd sowie meine Bluse haben Sommersprossen bekommen.
»Oh Scheiße!«, rufe ich, tunke meine Serviette in das Perrier und fange an, an Toms Hemd herumzurubbeln. Es war bestimmt echt teuer.
Während ich mich ein ums andere Mal entschuldige, vor Scham rot anlaufe und immer weiter rubbele, registriere ich, dass ich mit der Davidoff-Vermutung recht hatte. Toms Brust gibt keinen Millimeter nach, sondern fühlt sich verdammt hart an. Wenn ich nicht die ganze Zeit darüber nachdenken müsste, dass ich gerade einem Starmoderatoren, der gleichzeitig so was wie mein Vorgesetzter ist, meine nach Billig-Fernsehsoap klingende Marcel-Story aufgetischt und gleichzeitig wahrscheinlich sein Zweihundert-Euro-Hemd ruiniert habe, wäre es eine fast schon erotische Situation.
Tom ist wirklich lieb, er nimmt meine hektisch putzende Hand beruhigend in die seine, blickt mich mit erstaunlich sanften Augen an und erwidert: »Das tut mir wirklich leid, Anna. Ich fürchte, so was haben wir alle schon mal mitgemacht. Ich war nicht nur bei KBML , weißt du … Mein Traum war es immer, bei den Öffentlich-Rechtlichen zu landen und dort Tagesschausprecher zu werden.« Er schmunzelt leicht. »Aber dann ist es eben doch anders gekommen.« Schlagartig verschwindet das Schmunzeln. »Im Endeffekt ist meine Story gar nicht so anders als deine, nur dass es bei mir wesentlich länger her ist. Aber das kann ich dir ja mal irgendwann anders erzählen«, zieht er sich zurück.
Nun bin ich neugierig geworden und auch ein bisschen
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