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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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darum.« Dr. Pflüger legte die Fiebertabellen zurück auf den Tisch. Er ging von Bett zu Bett und suchte nach irgend etwas, um Inge erneut rügen zu können. Am Fenster lag ein Mann und grinste breit, als Pflüger an sein Bett kam. Auf dem Diagnoseteil der Tabelle stand: Splitterextraktionen linke Schulter. Es war Herr Hubert Hannen, der jedes Jahr einige Wochen im Krankenhaus lag, weil von einem Manöverunfall beim Bund noch Splitter eines Granatwerfers in der Schulter saßen, wanderten und in jene Gegenden kamen, aus denen man sie gefahrlos herausnehmen konnte.
    Dr. Pflüger nahm seine Tabelle und las sie ab.
    »Fieberfrei?« fragte er, als glaube er es nicht.
    »Jawohl, Herr Stabsarzt!« schrie Hubert Hannen. Die Stube wieherte vor Lachen.
    »Ihnen scheint es wirklich gutzugehen.«
    »Jawohl, Herr Stabsarzt! Aber ich habe eine Beschwerde gegen Schwester Inge.«
    »Ach!« Dr. Pflüger musterte Hubert Hannen kritisch. »Was denn?«
    »Seit zwei Tagen habe ich einen unerträglichen Juckreiz in der Leistengegend, und Schwester Inge weigert sich, mich dort zu kratzen.«
    Die Antwort Dr. Pflügers ging in einem Gebrüll unter, das die Stube 1 erschütterte. Inge schüttelte tadelnd den Kopf, aber Hubert Hannen lag in strammer Haltung im Bett, und man sah es ihm an, daß es ihm guttat, Dr. Pflüger so behandelt zu haben.
    Der Oberarzt wandte sich schroff ab und verließ das Zimmer 1. Auf dem Flur stieß er mit Schwester Angela zusammen, die mit neuer Bettwäsche aus der Wäschekammer kam. Das laute Lachen aus dem Zimmer erfüllte die ganze Station. Aus Zimmer 5 sah der Kopf Beißelmanns heraus.
    Dr. Pflügers Gesicht war kantig und durchzuckt von mühsam unterdrückter Erregung.
    »Herr Hannen wird morgen entlassen«, sagte er. »Ich brauche das Bett.«
    »Aber, Herr Oberarzt!« Schwester Angela schluckte ein paarmal. »Herr Hannen hat noch eine offene, nässende Wunde und …«
    »Kann man ambulant behandeln! Er kann laufen, ist fieberfrei und auch sonst ganz fidel! Morgen um elf Uhr belege ich das Bett neu, da muß er weg sein!«
    Er ließ Schwester Angela stehen, winkte Inge herrisch zu sich und ging in Zimmer 2. Dort brüllte jemand, kaum daß die Tür aufging, »Achtung!« Dr. Pflüger blieb im Türrahmen stehen.
    »Was soll der blöde Quatsch?« sagte er laut.
    »Wir dachten, es erfreut Sie«, rief jemand aus dem Hintergrund.
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Sie erwecken in uns solche Erinnerungen, wissen Sie …«
    Oberarzt Dr. Pflüger betrat das Zimmer 2 nicht, sondern trat zurück in den Flur.
    »Sie haben Ihre Schäfchen ja ganz gut geimpft!« sagte er giftig zu Schwester Inge.
    »Verzeihung … aber ich spreche mit den Patienten nicht mehr als nötig.«
    »Woher kommt diese merkwürdige Stimmung? Sie war doch früher nicht!«
    »Ich weiß es nicht, Herr Oberarzt.«
    »Wer hetzt hier gegen mich?« Dr. Pflüger schlug mit der Faust in die andere, flache Hand. »Aber ich bekomme es heraus, Sie Unschuldsengel!«
    Er verzichtete auf die anderen Zimmer und rannte zu Nummer 5. Hier stand Beißelmann wie ein Wächter zum Paradies. Dr. Pflüger zuckte zusammen, als Beißelmann laut rief:
    »Stube 5, belegt mit sechs Mann, einem Krankenpfleger, zwei Schwestern. Keine besonderen Vorkommnisse.«
    Der Oberarzt senkte wütend den Kopf. »Sind Sie verrückt, Beißelmann? Was soll dieses Theater? Ist das hier ein Irrenhaus?«
    »Jawoll!« antwortete Beißelmann mit Genuß.
    »Von Ihnen also stammt diese Idiotie auf der Station drei?«
    »Jawoll.«
    »Kommen Sie mal mit!« Dr. Pflüger wandte sich ab und rannte aus dem Flur ins Treppenhaus. Dort wartete er, bis Beißelmann nachkam, und ging mit ihm in das Oberarztzimmer.
    »Bitte anklopfen«, sagte Beißelmann, als Dr. Pflüger die Tür aufriß.
    »Warum?«
    »Es könnte wieder eine Frau auf der Couch liegen.«
    Dr. Pflüger rannte um den Schreibtisch herum, fegte mit einer Handbewegung die Post zur Seite und setzte sich. Über sein Gesicht lief ein Zittern. Er befand sich in einer kaum noch kontrollierbaren Erregung.
    »Sie … Sie Zuchthäusler!« sagte Dr. Pflüger dumpf. »Ich weiß alles.«
    »Das erleichtert vieles.« Beißelmann steckte die Hände in die Kitteltaschen. »Im übrigen ist das für mich kein Schimpfwort.«
    »Was denken Sie sich eigentlich?!«
    »Vieles, Herr Oberarzt.« Beißelmanns ausdrucksloser Fischblick irritierte Dr. Pflüger. Zudem hatte er das Gefühl, in einer gefährlichen Lage zu sein. Er hat schon einmal zwei Menschen umgebracht, dachte

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