Männerstation
Sie jegliche Aufregung … vielleicht sagt sie selbst etwas.«
Margot Staffner erwachte aus der Narkose mit einem tiefen Seufzer, dem ein Würgen folgte. Dr. Bernfeld hielt ihr die Nierenschale unter das Kinn, während Hieronymus Staffner die Hände rang und sich auf die Lippen biß, um nicht ihren Namen zu rufen.
Dann schlug sie die Augen auf, erkannte Dr. Bernfeld und hinter seiner Schulter den großen, etwas verzerrten Kopf ihres Mannes. Das genügte für den ersten Blick … sie ließ die Lider wieder zuklappen und drehte den Kopf zur Seite, zur Wand hin. Aber es war keine neue Besinnungslosigkeit – sie war wach und hörte alles, was im Zimmer geschah. Auch das Rascheln von Papier. Es war der Kriminalbeamte, der als ordentlicher Beamter seine Aktentasche auspackte, um in der Akte ›Staffner‹ ein neues Blatt zu beschreiben. Sie hörte auch den rasselnden Atem ihres Mannes und roch den leichten Kölnisch-Wasser-Duft, der von Dr. Bernfeld ausströmte. Er hatte sich vor der Operation rasiert. Alles um sie herum war überdeutlich vernehmbar … als Beißelmann seine Nase putzte, war es wie das Explodieren eines Feuerwerks in ihren Ohren.
»Frau Staffner …«, sagte Dr. Bernfeld leise.
Sie schwieg, kniff die Lider zusammen und tat, als ob sie nichts höre. Aber gerade an dem Zusammenpressen der Augen erkannte der Arzt, daß sie voll erwacht war. Er nahm die Schale von ihrem Kinn, reichte sie Beißelmann.
»Frau Staffner!« sagte Dr. Bernfeld noch einmal. »Sie sind wach … Ihr Mann ist hier …«
»Ja, ich bin da, Margot … Frauchen …« Staffner konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er beugte sich vor und tastete nach Margots Händen. »Was ist denn mit dir? Was hast du denn da getan? Warum?«
Margot Staffner schwieg. Aber sie öffnete die Augen und starrte gegen die weiße Wand. In ihrer Brust brannte es … von den Schultern bis hinunter zum Magen. Der ganze Oberkörper schien in siedendem Öl zu liegen. Diese Schmerzerkenntnis kam so plötzlich, daß sie laut aufstöhnte, die Hände gegen die Wand warf und mit den Nägeln den Verputz ankratzte.
»Margot … Margot …«, stotterte Hieronymus Staffner. Der Kriminalbeamte berührte Dr. Bernfeld an der Schulter.
»Kann man sie jetzt fragen?«
»Ja. Aber kurz.«
Der Beamte trat neben Dr. Bernfeld und beugte sich über Frau Staffner. »Kriminalassistent Beierlein. Leider muß ich einige Fragen stellen, gnädige Frau. Sie können ganz leise antworten, ich höre Sie. Oder Sie brauchen auch nur zu nicken oder den Kopf zu schütteln, wenn es Ihnen zuviel Anstrengung macht zu sprechen.«
Margot Staffner wandte den Kopf etwas herum. Ihre Augen waren voller Qual und dunkel vor Schmerz. Aber sie nickte. Kriminalassistent Beierlein versuchte sie ermunternd anzulächeln.
»Sie haben die Pistole auf sich selbst gerichtet?«
Margot Staffner nickte.
»Im Zimmer des Oberarztes?«
Sie nickte wieder.
»Sie wissen ganz genau, warum Sie es taten?«
Der Kopf zögerte. Dann schüttelte er schwach. Beierlein sah Dr. Bernfeld an.
»Soll das heißen, daß Sie nicht wissen, warum Sie sich erschießen wollten?« fragte er.
Margot Staffner nickte. »Ja«, sagte sie leise. »Ich weiß es nicht mehr.«
»Aber Sie mußten doch einen Grund haben.«
»Nein …«
»Hatten Sie schon öfter den Drang, sich zu töten?«
»Nein.«
»Kam es ganz plötzlich?«
Wieder zögerte Margot. Dann nickte sie schwach und wandte den Kopf wieder zur Wand. Dr. Bernfeld berührte den Arm des Kriminalassistenten Beierlein.
»Ich glaube, es wird zuviel.«
Beierlein sah auf seine mageren Notizen. »Aber sie muß doch einen Grund gehabt haben!«
»Weiß man immer, warum plötzlich in der Leitung ein Kurzschluß entsteht?«
»Es gibt immer eine Ursache.«
»Der Herr Professor hat ja versucht, es Ihnen zu erklären. Eine plötzlich auftretende Depression, von der keiner sagen kann, woher sie kommt … ein seelischer Panikzustand … man kennt in der Medizin solche Situationen, die der Betroffene hinterher selbst nicht mehr versteht, weil es eigentlich gar nicht sein Ich war, welches zu dieser Handlung drängte …«
Kriminalbeamter Beierlein packte seine Aktentasche wieder ein. Für ihn war die Psychologie nur interessant, wenn es um simulierende Ganoven ging oder um Suggestivfragen, die zwar verboten waren, aber immer wieder angewandt wurden. Über seelische Kurzschlüsse und Unterbewußtseinsregungen hatte er zwar gelesen, es aber als theoretischen Blödsinn abgetan.
»Ich werde noch
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