Märchen aus 1001 Nacht
verlangt nach dir!â Ich erhob mich und ging mit ihm zum Richter, ohne zu wissen, um was es sich handelte. Wie ich dann aber in den Gerichtssaal trat, sah ich die beiden Zeugen und den Hausherrn, der mir die dreihundert Dinare gegeben hatte, dort sitzen. Nun begann der Hausherr mich wegen dreihundert Dinare zu verklagen und ich vermochte die Schuld nicht abzustreiten, da er einen Schuldschein vorzeigte und diese beiden ehrenwerten Zeugen aufgrund dessen bestätigten, dass ich dreihundert Dinare schuldig sei. Das Zeugnis der beiden wurde vom Kadi als gültig anerkannt und er befahl mir, jene Summe zu zahlen; ich durfte auch nicht eher das Gericht verlassen, als bis sie die dreihundert Dinare von mir erhalten hatten. Ich war aber voll Zornes und gelobte ihnen alles Unheil und bereute, dass ich sie nicht schwer bestraft hatte; und ich ging tief beschämt von dannen. Das ist das Merkwürdigste, das ich in der Zeit meiner Amtsführung erlebt habe.â Darauf hub der Wachthauptmann aus Bulak an und sprach: âWas mich betrifft, O Herr Sultan, so ist das wunderbarste Erlebnis meiner Amtszeit das folgende.â
Und er erzählte
Die Geschichte des Wachthauptmannes von Bulak
 âIch hatte einmal die Schuld von vollen dreihunderttausend Dinaren. Und da mich das bedrückte, so verkaufte ich alles, was hinter mir und vor mir war; aber ich brachte nicht mehr als hunderttausend Dinare zusammen und so war ich denn ganz ratlos. Während ich nun eines Nachts in diesem Zustand in meinem Hause saÃ, klopfte plötzlich jemand an die Tür. Ich sprach zu einem der Diener: âSieh nach, wer an der Tür steht!â Er ging hinaus und kam zurück; aber sein Gesicht war fahl, seine Farbe war bleich und er zitterte am ganzen Leibe. Als ich fragte: âWas ficht dich an?â antwortete er: âAn der Tür steht ein Mann, halbnackt, nur mit einem Fell bekleidet; er hat ein Schwert und in seinem Gurte steckt ein Messer. Bei ihm ist eine ganze Schar seinesgleichen und er verlangt nach dir.â Da nahm ich mein Schwert in die Hand und ging hinaus, um nachzusehen, was für Leute das wären und richtig, sie waren so, wie der Diener gesagt hatte. Ich fragte sie: âWas istâs mit euch?â Sie erwiderten: âWir sind Diebe und wir haben heute Nacht groÃe Beute gemacht. Die haben wir für dich bestimmt, auf dass du dich mit ihrer Hilfe aus dieser Not, um die du dich so sehr grämst, befreien und die Schulden, die auf dir lasten, bezahlen kannst.â Wie ich dann weiter fragte: âUnd wo ist die Beute?â brachten sie mir eine groÃe Truhe voll von Geräten aus Gold und Silber. Ãber diesen Anblick freute ich mich und ich sagte mir: âDamit kann ich die Schulden, die auf mir lasten, abtragen und dann behalte ich noch ebenso viel übrig.â Ich nahm also das Geschenk an und ging in mein Haus zurück, indem ich mir sagte: âEs wäre doch unedel, wenn ich sie mit leeren Händen wieder abziehen lieÃe.â So holte ich denn die hunderttausend Dinare, die ich noch hatte und gab sie ihnen, indem ich ihnen für ihr gutes Werk dankte. Sie nahmen die Goldstücke hin und gingen im Dunkel der Nacht ihrer Wege, ohne dass jemand sie bemerkt hätte. Als es aber Morgen wurde, sah  ich, dass der Inhalt der Truhe aus vergoldetem
Kupfer und Zinn bestand und insgesamt nur fünfhundert Dirhems wert war. Und das war mir sehr schmerzlich; denn nun hatte ich auch die Dinare, die ich noch besaÃ, verloren und Kummer häufte sich mir auf Kummer. Das ist das Seltsamste, was mir in meiner Amtszeit begegnet ist. âZuletzt hub der Wachthauptmann von Alt-Kairo an und sprach: âO Herr Sultan, was mich angeht, so ist das Merkwürdigste, das ich in meiner Amtszeit erlebt habe, das folgende.â
Und er erzählte
Die Geschichte des Wachthauptmannes von Alt-Kairo
 âEinst lieà ich zehn Diebe hängen, jeden an einen besonderen Galgen und ich schärfte den Wächtern ein, gut auf sie Acht zu geben und dem Volke nicht zu gestatten, einen von ihnen herunterzunehmen. Als ich aber am nächsten Morgen hinkam, um nach ihnen zu schauen, erblickte ich zwei Gehängte an einem Galgen. Ich fragte die Wächter: âWer hat das getan?â Und wo ist der Galgen, an dem der andere gehangen hat?â Sie taten, als ob sie von nichts wüssten; aber als ich sie peitschen lassen wollte, sagten sie: âWisse, Emir, wir haben vorige
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