Märchen aus 1001 Nacht
und ein gehen und sich an den Leichen satt fressen zu können. Als ich dies gewahrte, kehrte Ruhe, Frieden und Stille in mein Herz, meine Seele und mein Gemüt ein und ich wurde nun wieder meines Lebens gewiss, nachdem ich bereits den Tod erlitten hatte. Wie im Traume mühte ich mich so lange ab, bis ich aus dem Loch herausgekrochen war, worauf ich mich auf dem Abhang eines zur See abfallenden hohen Berges befand, welcher zwischen dem Meer und der Stadt lag, dass niemand von der Insel an dasselbe gelangen konnte. Da lobte ich Allah, den Erhabenen und dankte ihm in mächtiger Freude; dann aber stärkte ich mein Herz, kehrte noch einmal durch das Loch in die Höhle zurück, schaffte alles Brot und Wasser, welches ich dort aufbewahrt hatte, heraus, zog mir über meine Sachen einige von den Kleidungsstücken der Toten und nahm eine groÃe Menge von all den Halsbändern und -schnüren, den Juwelen und Perlen, den goldenen und silbernen mit mannigfachen Steinen besetzten Schmucksachen und andere Kostbarkeiten, nachdem ich alles in die Kleidungsstücke der Toten gebunden hatte, mit mir aus der Höhle auf die Rückseite des Berges an den Meeresstrand. Tag für Tag kroch ich jedoch wieder in die Höhle hinunter und erschlug jeden, den sie dort lebendig begruben, sei es Mann oder Weib, worauf ich mit seinem Brot und Wasser wieder herauskam und am Strande wartete, bis Allah, der Erhabene, mir Trost gewähren und ein Schiff vorüberziehen lassen würde.
Nachdem ich so in einem längeren Zeitraum aus der Höhle allen Schmuck, den ich dort gesehen hatte, herausgeschafft und in die Sachen der Toten gebunden hatte, sah ich, als ich eines Tages, in Gedanken versunken über meine Lage, am Meeresstrande saÃ, mit einem Male mitten im wogenden, wellenbrandenden Meer ein Schiff vorüberziehen. Da nahm ich ein weiÃes Totenlaken, band es an einen Stock und lief, mit dem Laken winkend, den Strand entlang, bis die Schiffsleute mich sahen und mich oben auf dem Berg gewahrten. Wie sie nun näher kamen und mein Rufen hörten, schickten sie ein Boot mit einer Anzahl Matrosen nach mir aus, die mich, als sie nahe herangekommen waren, fragten: âWer bist du? Warum sitzest du hier und wie kamst du auf diesen Berg, auf dem wir, solange wir leben, noch keinen sahen?â Ich erwiderte ihnen: âIch bin ein Kaufmann; das Schiff, auf dem ich mich befand, ging unter, doch rettete ich mich mit meinen Sachen auf eine der Schiffsplanken und Allah lieà mich gnädiglich nach groÃer Mühsal durch meine Anstrengung und Geschicklichkeit mit meinem Hab und Gut hierher gelangen.â Hierauf nahmen sie mich zu sich ins Boot nebst allem, was ich aus der Höhle geschafft und in die Gewänder und Laken der Toten gebunden hatte und ruderten zu ihrem Schiff zurück, dessen Kapitän ich auf die gleiche Frage die gleiche Antwort gab. So verschwieg ich ihnen meine Erlebnisse in der Stadt und in der Höhle, aus Furcht, es könnte sich jemand aus der Stadt bei ihnen auf dem Schiff befinden. Dem Schiffsherrn aber bot ich eine Menge von meinem Gut an und sprach zu ihm: âMein Herr, dir hab ich meine Rettung von diesem Berg zu verdanken, nimm dies daher als Entgelt für deine mir bewiesene Güte von mir an.â Er wollte jedoch nichts von mir annehmen, sondern sagte zu mir: âWir nehmen von niemand etwas an und wenn wir einen Schiffbrüchigen am Meeresgestade oder auf einer Insel sehen, so nehmen wir ihn zu uns auf, geben ihm Speise und Trank, kleiden ihn, wenn er nackt ist und geben ihm auch noch ein Geschenk, wenn wir einen sicheren Hafen erreichen; solche Güte und Freundlichkeit erweisen wir ihm um Allahs Willen.â Ich erflehte ihm hierfür langes Leben von Allah und freute mich, voll Hoffnung auf meine Heimkehr, über meine Rettung; sooft ich aber an meinen Aufenthalt in der Höhle bei meinem toten Weibe dachte, schwand mir der Verstand.
Wir segelten nun weiter von Insel zu Insel und von Meer zu Meer, bis wir durch Allahs, des Erhabenen, Allmacht sicher und wohlbehalten in Basra anlangten, von wo ich nach einem Aufenthalt von wenigen Tagen nach Bagdad zog. In meinem Viertel angelangt, suchte ich meine Wohnung auf, erkundigte mich nach meinen Freunden und Angehörigen und empfing alle bei mir, die sich über meine Rettung freuten und mich dazu beglückwünschten. Dann speicherte ich alle meine Güter in meinen Warenhäusern auf, verteilte
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