Märchen aus 1001 Nacht
überall umherstreifen;Â
da fand er den Namen seines Bruders Nur Edin in goldenen Lettern auf die Wand gemalt. Und er trat hin zu der Inschrift und küsste sie und weinte und dachte daran, wie er von ihm getrennt worden war; und er sprach die Verse:
Ich frage die Sonne nach dir, sooft sie strahlend aufgeht;
Ich frage den Blitz nach dir, sooft er am Himmel flammt.
Zur Nachtzeit rollt die Sehnsucht mich mit ihren Händen zusammen,
Und rollt mich auf; doch ich klage nicht, dass ich zu Schmerzen verdammt.
Geliebter mein, wenn die Zeit so lang währt und wenn die Trennung
So ist, dann werd ich in Stücke zerrissen durch deinen Verlust.
Doch wenn du meinem Auge nur deinen Anblick gewährtest,
Ach, wie schön wär es dann, sänke ich dir an die Brust!
Glaube doch nicht, dass ich einen anderen gefunden hätte;
In meinem Herzen ist für andere Lieb keine Stätte!
Dann ging er weiter, bis er zu der Halle kam, in der die Witwe seines Bruders, die Mutter des Bedir Edin Hassan, weilte. Sie hatte seit der Zeit, da ihr Sohn verschwunden war, nicht aufgehört, Tag und Nacht hindurch zu weinen und zu klagen; als die Jahre ihr lang zu werden begannen, da hatte sie mitten in der Halle ein Marmorgrab für ihren Sohn erbaut und nun pflegte sie dort um ihn zu weinen, Tag und Nacht und sie schlief immer nur bei dem Grabe. Als der Wesir dorthin kam, wo sie weilte, vernahm er ihre Stimme; und er blieb hinter der Tür stehen, während er sie das Grabmal also ansprechen hörte:
Bei Allah, O Grab, schwand denn deine Schönheit jetzt dahin? Und ist jener Anblick verblasst, der sonst so strahlend scheint? O Grab, du bist doch weder Erde noch Himmel für mich; Wie kommtâs, dass sich in dir das Reis mit dem Monde vereint?
Während sie so klagte, siehe, da trat der Wesir Schems Edin zu ihr ein, begrüÃte sie und lieà sie wissen, dass er ihres Gatten Bruder sei; und dann erzählte er ihr alles, was geschehen war und enthüllte ihr die ganze Geschichte, wie ihr Sohn Bedir Edin Hassan vor über zehn Jahren eine ganze Nacht bei seiner Tochter zugebracht hatte und morgens verschwunden gewesen war. Und er schloss mit den Worten: âMeine Tochter aber hatte von deinem Sohn empfangen und einen Knaben geboren, der jetzt bei mir ist und er ist doch auch dein Kind, der Sohn deines Sohnes von meiner Tochter.â Als sie aber hörte, dass ihr Sohn Bedir Edin Hassan noch lebte und ihren Schwager sah, da stand sie auf und warf sich ihm zu FüÃen, küsste sie und sprach die Verse:
Bei Allah, welch ein trefflicher Bote, der mir ihr Kommen kündet,
Und der mit der allerfrohesten Botschaft zu mir kam!
War er mit einem zerrissânen Geschenke zufrieden, ich gäbe
Ein Herz ihm, das beim Abschied in Stücke zerriss vor Gram.
Darauf lieà der Wesir den Adschib holen und als er kam, fiel seine GroÃmutter ihm um den Hals und weinte. Schems Edin aber sprach: âDies ist die Zeit nicht zum Weinen: dies ist die Zeit, dich bereitzumachen, um mit uns nach dem Lande Ãgypten zu reisen; vielleicht vereinigt Allah mich und dich mit deinem Sohn und meinem Neffen.â Sie erwiderte: âIch höre und gehorche!â; und sie erhob sich alsbald, sammelte ihr Gepäck und ihre Schätze und ihre Sklavinnen und machte sich sofort für die Reise zurecht. Der Wesir Schems Edin ging derweilen zum Sultan von Basra, um Abschied zu nehmen und er übergab ihm Geschenke und Kostbarkeiten für den Sultan von Ãgypten. Zur selbigen Stunde machte er sich auf und zog dahin, bis er zu der Stadt Damaskus kam; dort machte er in el-Kanün Halt und lieà die Zelte aufschlagen. Und er sprach zu seinem Gefolge: âWir wollen hier eine Woche bleiben und für den Sultan Geschenke und Kostbarkeiten kaufen.â Adschib aber ging hinaus und sagte zu dem Eunuchen: âO Laik, ich möchte einen Spaziergang machen; komm, lass uns hinuntergehen in den Basar und in Damaskus umherwandeln und nachsehen, was aus jenem Koch geworden ist, bei dem wir SüÃigkeiten aÃen und dem wir nachher den Kopf verwundeten; er war doch freundlich gegen uns und wir haben ihn schlecht behandelt.â Der Eunuch antwortete: âIch höre und gehorche!.
Darauf verlieà Adschib mit dem Eunuchen die Zelte; denn das Band des Blutes zog ihn hin zu seinem Vater.
Alsbald traten sie in die Stadt ein und gingen immer weiter, bis sie die Garküche erreichten; und sie sahen den
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