Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
Vom Netzwerk:
blitzten rings empor. Darunter standen lange Reihen zahlloser abgeschiedener Geister. Einige von ihnen waren in kaiserliche und königliche Gewänder gekleidet, wieder andere in seidene Beamtentracht, andere in Helm und Panzer, andere mit Gold und Edelsteinen in den Händen, andere als Gelehrte, als Bauern, als Handwerker, als Kaufleute, als Buddhistenmönche und Taoistenpriester, als Arme und Bettler. Wiederum waren andere da, die hatten Häute von Tieren und Vögeln übergeworfen, und noch andere solche von Schlangen und Würmern. Männer und Frauen waren also aufgestellt, in sechs Reihen geteilt. Neben dem Rad stand ein Topf mit gelbem Wasser. Der Wärter des Rades ließ die abgeschiedenen Seelen von dem Wasser trinken. Es ward genannt der Trank der Vergessenheit. Wer von dem Wasser trank, vergaß, was er in seinem früheren Leben erfahren hatte. Nachdem die Abgeschiedenen getrunken hatten, halfen ihnen Teufel, das Rad zu besteigen. Es drehte sich, und sie waren verschwunden — zu neuer Geburt auf der Oberwelt.
    Darauf wurden ihm die zehn Hallen mit ihren achtzehn Höllen gezeigt. Da war der Eisberg mit den Messerbäumen. Da stand ein ungeheurer Teufel, der warf die Seelen auf den Berg, dass sie sich an den Messern aufspießten und ihnen die Gedärme aus dem Leib drangen. Wiederum war da die Sägehölle. Da wurden sie zwischen zwei Bretter gespannt und mit einer Säge vom Kopf bis zu den Füßen zertrennt. Alles war mit Blutspuren befleckt.
    Sein Begleiter sagte: ,,So geht es denen, die zwei Herren gedient, und den Frauen, die zwei Männer geheiratet.«
    Da war die Zungenausreißhölle, wo denen, die die Menschen untereinander aufgehetzt hatten, die Zunge ausgerissen wurde. Da war die Hölle, wo sie umgekehrt aufgehängt wurden an einem Haken, der ihnen in den Rücken geschlagen wurde, also dass es aussah, wie wenn man Waren wiegt. Diese Hölle war für die, die unrecht Maß und Gewicht gebraucht. Wieder eine andere Hölle enthielt Mörser und Mühlen, in denen sie zerstoßen und zermahlen wurden, dass Blut und Fleisch nur so heraus spritzte. Bluthunde, so groß wie Löwen, drängten sich herbei und fraßen die Abfälle. Die Hölle war für die, die Blutsverwandte auseinandergebracht und anderen geheime Fallstricke gestellt.
    Wieder eine war die Hungerhölle. Darin schmachteten die, die hartherzig gegen die Armen nur für den eigenen Leib gesorgt hatten.
    Diese Hölle war es gewesen, in die einst der Buddhistenpriester Mu Liän eingebrochen war, um seine Mutter zu erlösen. Seine Mutter nämlich saß in dieser Hölle. Mu Liän aber hatte es durch gute Werke dazu gebracht, dass er ein Buddha wurde. Dann ging er geradewegs in die Unterwelt, um seine Mutter zu befreien. Er schlug mit seinem eisernen Stabe die Tore der Hölle entzwei und trug seine Mutter empor zum westlichen Himmel. Dabei brachen dreitausend hungrige Seelen aus dieser Hölle hervor und wurden auf der Oberwelt geboren. Die haben dann den Aufstand veranlasst, in dem die Tang-Dynastie ihr Ende fand.
    Dann kam Hu Di in die Blutschüsselhölle. Da waren große und kleine Schüsseln, mit blutigem Wasser gefüllt, und eine Anzahl von Frauen, die klagten und weinten.
    In ihrer Mitte erblickte er plötzlich seine erste Frau, die weinend zu ihm sprach: »Ich habe während meines irdischen Lebens keine schweren Sünden begangen. Nur bei der Geburt meiner Kinder habe ich das reine Wasser befleckt, indem ich ihr Blut darin abwusch. Nun hat mir der Höllenfürst befohlen, dieses Wasser auszutrinken, und erst wenn ich fertig damit bin, kann ich aufs Neue als Mensch geboren werden. Ich bitte dich herzlich, dass, wenn du hinaufkommst, du aus Papier und Stroh einen Wasserbüffel machst und ihn verbrennst, dass er für mich das blutige Wasser austrinkt. Auch empfehle ich dir meine Kinder an, dass sie nicht das Leid von Stiefkindern erfahren müssen.«
    Sie beschwor ihn aufs Inständigste, und Hu Di versprach ihr alles. Dann nahmen sie unter Tränen voneinander Abschied.
    Hu Di fragte seinen Begleiter: »Und wo sind die Orte, wo die Mörder von Menschen und Haustieren sich aufhalten?«
    Der Teufel sprach: »Sie müssen durch verschiedene Höllen gehen und werden schließlich als Tiere wieder geboren. Die ihren Eltern ungehorsam waren, die ihre Brüder im Stiche ließen, die Geld und Gut liebten, die ihre eigenen Frauen und Kinder unrechtmäßig begünstigten, werden entsprechend der Schwere ihrer Schuld bestraft; es gibt keine eigene Hölle für sie. Aber da ist noch

Weitere Kostenlose Bücher