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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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und befahl, ihm immer diese Speise zu liefern.
    Dann blickte er auf den Kaufmann und sagte: »Warum ist denn deine Halskette so kurz?«
    Mit diesen Worten nahm er von seinem eigenen Halsband zehn Perlen, groß und rund wie Flintenkugeln. Sein Weib nahm sie rasch für ihn in Empfang und hängte sie ihm um. Der Kaufmann kreuzte die Arme und bedankte sich in der Sprache der Oger. Darauf ging der große König wieder weg, auf dem Sturme davonfahrend wie im Fluge.
    Der Kaufmann hatte mit seinem Weibe vier Jahre zusammen gewohnt, da gebar sie ihm Drillinge, zwei Knaben und ein Mädchen. Alle hatten Menschengestalt, unähnlich ihrer Mutter.
    Eines Tages war der Kaufmann alleine zu Hause; da kam aus einer anderen Höhle ein Weib und wollte ihn verführen. Er aber war nicht einverstanden. Da wurde das Ogerweib zornig und packte ihn am Arm. Unterdessen kam seine Frau nach Hause, und die beiden gerieten in ein fürchterliches Handgemenge. Schließlich biss seine Frau der anderen ein Ohr ab, da ging sie weg. Von jener Zeit an bewachte nun die Frau den Kaufmann und wich keinen Augenblick von seiner Seite.
    Abermals vergingen drei Jahre, und die Kinder lernten allmählich sprechen. Er lehrte sie auch die Menschensprache. Sie wuchsen heran und wurden so stark, dass sie über die Berge liefen wie auf ebenem Grunde.
    Eines Tages war sein Weib mit dem einen Knaben und dem Mädchen ausgegangen und war einen halben Tag lang weggeblieben. Der Nordwind wehte stark, und in dem Herzen des Kaufmanns erwachte die Sehnsucht nach seiner alten Heimat. Er nahm seinen Sohn an der Hand und führte ihn zum Meeresufer. Da lag sein altes Schiff noch immer. Er stieg mit seinem Sohn hinein und kam in einem Tag und einer Nacht nach Annam zurück.
    Als er zu Hause ankam, hatte sich seine erste Frau inzwischen mit einem anderen Manne verheiratet. Er tat zwei von seinen Perlen hervor und gewann dafür eine Menge Goldes, so dass er ein vornehmes Haus führen konnte. Seinem Sohn gab er den Namen Panther. Als er vierzehn Jahre alt war, ward er so stark, dass er ein Gewicht von dreißig Zentnern heben konnte. Doch war er roh und liebte den Streit. Der General von Annam, erstaunt über seine Tapferkeit, ernannte ihn zum Obersten, und bei der Niederwerfung eines Aufstandes erwarb er sich solche Verdienste, dass er mit achtzehn Jahren schon Unterfeldherr wurde.
    Um jene Zeit ward ein anderer Kaufmann ebenfalls vom Sturme nach der Insel Wo Me verschlagen.
    Als er an Land kam, sah er einen Jüngling, der ihn erstaunt fragte: ,,Seid Ihr nicht ein Mann aus dem Mittelreich?«
    Der Kaufmann erzählte, wie er hierher verschlagen worden sei, und der Jüngling führte ihn in eine kleine Höhle in einem verborgenen Tal. Dann brachte er Hirschfleisch herbei und plauderte mit dem Manne. Er erzählte ihm, dass sein Vater auch aus Annam gewesen sei, und es stellte sich heraus, dass er ein alter Bekannter des Kaufmanns war.
    »Wir müssen warten, bis der Nordwind einsetzt,« sagte der Jüngling, »dann will ich kommen und dir das Geleite geben. Ich will dir auch einen Gruß für meinen Vater und älteren Bruder mitgeben.«
    »Warum kommst du denn nicht selber mit,« sagte der Kaufmann, »um deinen Vater aufzusuchen?«
    »Meine Mutter stammt nicht aus dem Mittelreich,« antwortete der Jüngling, »sie ist anders in Rede und Aussehen, darum geht es nicht wohl an.«
    Eines Tages nun erhob sich der Nordwind mit Macht, und der Jüngling kam und begleitete den Kaufmann auf das Schiff und befahl ihm beim Abschied, von seinen Worten keines zu vergessen.
    Als der Kaufmann zurückkam nach Annam, begab er sich in den Palast Panthers, des Unterfeldherrn, und erzählte alles, was er gesehen.
    Als Panther von seinem Bruder erzählen hörte, da schluchzte er in bitterem Leid. Er nahm Urlaub und fuhr mit zwei Soldaten ins Meer hinaus. Plötzlich erhob sich ein Taifun, der die Wellen peitschte, dass sie bis zum Himmel aufspritzten. Das Schiff schlug um, und Panther fiel ins Meer. Da wurde er von einem Wesen gepackt und fortgeschleppt an einen Strand, wo Wohnungen standen. Das Wesen, das ihn gepackt hatte, sah aus wie einer der Oger. Darum redete er ihn in der Ogersprache an. Der Oger fragte ihn erstaunt, wer er wäre, und er erzählte ihm seine ganze Geschichte.
    Der Oger sprach erfreut: ,,Wo Me ist meine alte Heimat. Es liegt von hier achttausend Meilen weit. Dies ist das Reich der Giftdrachen.«
    Darauf holte er ein Schiff, und Panther musste sich hinein setzen. Dann schob der Oger das Schiff

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