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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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man Hochzeit. Der Klang der Trommeln dröhnte zum Himmel, Flöten und Pfeifen betäubten das Ohr. Das Mädchen hörte den fröhlichen Lärm und ward betrübt. Da fiel ihr der Wein ein. Sie öffnete einen Krug, um zu schöpfen. Plötzlich sah sie eine Giftschlange, am ganzen Leibe weiß gezeichnet, die im Kruge aufgeringelt lag. Erschrocken trat sie zurück. Der Krug war wohl nicht fest verschlossen gewesen, die Schlange war auf der Suche nach Nahrung hinein gekrochen und im Weine ertrunken.
    Das Mädchen sprach bei sich: »Ich habe gehört, dass Schlangengift den Menschen tötet. Besser als an der Krankheit zugrunde gehen, ist es, ich trinke Gift und sterbe.«
    Sie schöpfte Wein mit einem Becher und trank, soviel sie konnte. Bewußtlos fiel sie auf das Lager, hüllte sich in ihre Decken und schlief ein.
    Um Mitternacht brach ihr der Schweiß aus, der in Tropfen an ihr herab rann. In allen Gliedern fühlte sie ein seltsames Jucken. Und wie sie sich auch rieb, sie konnte es fast nicht aushalten. Aber die Aussatzpusteln verschwanden allmählich, es bildeten sich Borken, und als die abfielen, kam die gesunde Haut darunter hervor. Kopfhaar und Augenbrauen wuchsen wieder nach, und ehe eine Woche vorüber war, war aus dem Scheusal wieder eine Schönheit geworden, ganz das hübsche Mädchen, wie sie es vor der Krankheit war.
    Auf die Kunde davon kam das ganze Haus herbei, ihr Glück zu wünschen. Der Sohn des Hauses wußte sich nicht zu lassen vor Freude. Es wurde ein zweiter Hochzeitstag gewählt, und aufs Neue schloss er mit dem Mädchen ehelichen Bund. Auch seine erste Frau schätzte das Mädchen gar sehr. Sie liebten einander wie Schwestern, und von Anfang bis zum Ende gab es weder Neid noch Streit zwischen ihnen. Die fremde Frau gebar ihrem Mann nach und nach drei Söhne, die alle hohe Ehrenämter errangen, so dass um ihrer Söhne willen auch die Mutter vom Kaiser ausgezeichnet wurde. In der ganzen Nachbarschaft ward ihr Ruhm verbreitet, und jedermann sprach: »Das ist der Lohn der Tugend.«

81. Die bemalte Haut
    In Taiyüanfu lebte ein Mann namens Wang. Er ging eines Morgens aus, da traf er ein Mädchen, das trug ein Bündel am Arm und war einsam unterwegs. Es kam mit ihren kleinen Füßen nur schwer voran. Er beschleunigte den Schritt und holte es ein. Da war es ein entzückendes Mädchen von etwa sechzehn Jahren.
    Es gefiel ihm recht gut, und so begann er: »Was geht Ihr in dieser frühen Morgenstunde so einsam Euren Weg?«
    Das Mädchen sprach: »Fremde können einander nicht ihren Kummer erleichtern. Was bemüht Ihr Euch zu fragen?«
    Der junge Mann sprach: »Was habt Ihr für ein Leid? Wenn ich Euch helfen kann, so bin ich gern bereit dazu.«
    Das Mädchen antwortete traurig: »Meinen Eltern lag sehr am Geld. Sie verkauften mich als Sklavin an einen reichen Mann. Seine Frau war eifersüchtig, des Morgens schalt sie, und des Abends schlug sie mich. Ich hielt es nicht länger aus und lief davon.«
    »Und wohin wollt Ihr nun?«
    »Verlorene Menschen haben keine Heimat.«
    Da sprach der Jüngling: »Mein Haus ist nicht fern von hier. Wollt Ihr Euch hin bemühen und es Euch ansehen?« Das Mädchen war mit Freuden einverstanden. Der junge Mann nahm ihr das Bündel ab und brachte sie nach Hause.
    Das Mädchen sah, dass niemand in dem Zimmer war und fragte: »Habt Ihr denn keine Frau?«
    »Das ist nur mein Studierzimmer«, war die Antwort.
    »Der Platz ist schön und gut«, sprach das Mädchen. ,,Wenn Ihr Mitleid mit mir habt und mir das Leben retten wollt, so dürft Ihr niemandem sagen, dass ich hier bin.«
    Der junge Mann versprach es ihr, und er verbarg sie in dem abgelegenen Zimmer. Tage vergingen, ohne dass jemand etwas davon erfuhr. Schließlich machte er seiner Frau einige Andeutungen. Die hatte Argwohn, dass es eine Sklavin sei aus einem mächtigen Hause und ermahnte ihn, sie fort zu tun. Er aber hörte nicht darauf.
    Einst ging er auf den Markt. Da traf er einen Priester, der sah ihn an und war erstaunt. Er fragte ihn, wer ihm begegnet sei.
    »Niemand«, gab er zur Antwort.
    Der Priester sprach: »Ihr seid rings von unheilvollem Hauch umgeben. Was sagt Ihr denn niemand?«
    Der junge Mann leugnete nochmals hartnäckig.
    Da ging der Priester und sagte: »Seltsam, dass es Menschen auf der Welt gibt, die ihrem Tod entgegengehen und sich nicht zur Besinnung bringen lassen!«
    Den jungen Manne wurmten diese Worte, und das Mädchen kam ihm etwas verdächtig vor. Dann aber wandten sich seine Gedanken: »Sie ist doch

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