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Märchen

Märchen

Titel: Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Trommeln, Stimmen erklingen. Die Stunde ist da. Jetzt erscheint der Herzog, da wird es still. Er steht dort so tückisch, dieser verschlagene Heuchler, und tut so, als gräme er sich über das Schicksal des Königs, dabei ist seine schwarze Seele voller Freude.
    Er jubelt bei dem Gedanken, daß auf diesem Burghof, wo jetzt die dumpfen Trommeln ertönen, daß er gerade an dieser Stelle und an diesem Morgen seinen Namen in blutiger Schrift in das Buch der Geschichte schreiben wird.
    Doch da ertönt vom Westturm ein gellender Entsetzensschrei...
    Der Gefangene ist fort, der König ist geflohen! O Schreckens-botschaft! Der Herzog erbleicht, er zittert und bebt, er rast und brüllt. »Hierher, alle Mann! Durchsucht meine Burg, jede Nische, jeden Winkel, jeden Saal und jedes Gewölbe, jede Treppe und jeden Turm. Ergreift den König, tot oder lebendig!«
    Hört, die Sturmglocke läutet, Rufe hallen durch das Schloßgewölbe, eisenbeschlagene Stiefel poltern über die Treppen, die Mannen des Herzogs hetzen ein Wild, sie jagen einen Edelhirsch, der um sein Leben flieht. Wo ist er? Da, wir sind ihm schon auf den Fersen! Seht, dort schimmert sein Haar wie ein Goldhelm!
    Seht, dort war ein Zipfel seines roten Samtrocks, seht doch, seht, er schlüpft in den Ostturm hinein!
    Und schlau, wie er ist, schlug er uns die Tür vor der Nase zu, aber nur her mit Axt und Spieß, wir werden den kleinen König schon erwischen!
    Der mächtige Herr, der sein Schloß hier am Sund vor langer Zeit bauen ließ, er war ein schlauer Fuchs. Und genau wie der Fuchs sich viele Ausgänge aus seinem Bau gräbt, so ließ dieser Schloßherr unter dem Sund hindurch einen Geheimgang anlegen, um sich bei einer Belagerung retten zu können. Ganz im geheimen

    tat er dies, dann legte er sich zum Sterben hin, ohne einem Menschen ein Wort davon zu verraten. Und nun ist er schon zweihundert Jahre lang tot. Was für ein Glück, daß es auf dieser Erde Knaben gibt, die neugierige Finger haben, und was für ein Glück, daß man Junker Nils als Kind in den Ostturm gesperrt hatte.
    Aber jetzt muß sich zeigen, ob er den geheimen Knauf wieder-finden kann, aber schnell muß es gehen, denn schon splittert die Tür zum Turm unter den Axthieben. Und König Magnus erbleicht. Ach, er hatte als Kind keine neugierigen Finger und fand nie geheime Knöpfe, und jetzt bricht ihm der Angstschweiß aus. Er sieht, wie sein Knappe den Zierat der Wandverkleidung abtastet, alle diese Buckel und Knöpfe und Knäufe, nein, er kann einfach nicht glauben, daß Junker Nils den richtigen finden wird. Er hört die Axthiebe hallen und die schweren Türbretter splittern, und, am schlimmsten von allem, er hört das wütende Gebrüll des Herzogs... »Ergreift den König, tot oder lebendig!«
    Da wird König Magnus so weiß wie ein Laken, oh, wie er um sein junges Leben bangt.
    »Genug jetzt, Junker Nils, es lohnt nicht die Mühe, alles ist aus, meine Zeit ist um.«
    Aber glaubt nur nicht, daß Knabenhände je die heimlichen Knöpfe vergessen, die sie einst gefunden haben. Seht nur, seht, jetzt öffnet sich langsam die geheime Tür und der Weg in die Freiheit.
    Junker Nils faßt seinen König eilig bei der Hand. »Kommt, König Magnus! Schnell hinein ins Dunkel!« Hu, wie dumpf und kalt und schrecklich es dort unten ist! Der Wildgiebelsund preßt sein Wasser in tückischen kleinen Rinnsalen durch die Steine, der Fuß rutscht auf dem glitschigen Gang fast aus. Aber Ihr dürft jetzt nicht ausrutschen, mein König, eine Sekunde ist jetzt kostbarer als alles Gold in Eurer Krone. Hört das rasende Wutgeschrei hinter Euch! Jetzt hat der Herzog entdeckt, daß ihm die Beute entkommen ist, jetzt steht er im Turm, das Scheusal, und kann nicht fassen, wo der König geblieben ist. Die Wut schnürt ihm die Kehle zu, er ist nahe dran zu platzen... Da sieht er die Geheimtür einen Spalt offen! Bei allen Heiligen, was ist denn das? Ein Geheimgang, von dem er nichts wußte? Oh, wie er rast über seinen Ururahnen, der diesen Gang einst bauen ließ! Doch nein, geschlagen gibt der Herzog sich nicht.
    »Hierher, alle Mann! Schnell hinein in die Finsternis, dort drinnen ist er, faßt ihn, packt ihn, zieht ihn heraus! Tot oder lebendig, ich will den König haben. Und ihr, meine Bogenschützen, schwingt euch auf eure pfeilschnellen Pferde, laßt die Zugbrücke hinunter, reitet los! Irgendwo tief im Wald mündet der geheime Gang, sucht ihn, sucht ihn! Und seht ihr König Magnus zwischen den Bäumen fliehen, dann jagt ihm

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