Märchen
tut, er hat in seinem Leben keine Rast und keine Ruh.
Dann endlich hört er die Pfeifen und Trommeln auf dem Hof.
Er weiß, daß die Stunde jetzt da ist. Und obwohl er in Fieber-schauern zittert, muß er doch aufstehen und ans Fenster gehen.
Ein letztes Mal will er seinen Vetter, König Magnus, sehen.
Er sieht seinen Burghof in der Morgensonne liegen und die beleibten Ratsherren in prunkenden Gewändern. Er sieht seine Männer mit erhobenem Spieß, wie sie im Viereck um einen roten Teppich stehen. Und auf diesem Teppich steht jemand.
Es ist sein Vetter König Magnus. Ach, dieses Haar, das wie ein Goldhelm in der Sonne glänzt, die schwarze Binde, die seinen Blick verbirgt, die hinter dem Rücken gefesselten Hände! Wie er jetzt um sein junges Leben bangen mag, mein lieber Vetter, der König Magnus!
Nein, der dort auf dem roten Teppich steht, bangt nicht um sein junges Leben. Er fürchtet sich nicht, er ist fast heiter, denn er gibt sein Leben, um das seines Königs zu retten.
Der Kuckuck ruft in der Eiche des Burghofes, und die dumpfen Trommeln schweigen.
So helfe dir Gott, Junker Nils ... im Himmel herrscht große Freude.
Aber in dem Augenblick, da das Schwert fällt, ertönen drüben im Wald Kriegshörner. So schrecklich tönt es über Land und See und so schrecklich hallt es in den Bergen wider. Horch, da donnern Hufe, da wiehern Rösser, da klirren Schwerter und Lanzen! Jetzt kommen sie geritten, all die Getreuen des Königs,
wie eine Woge, rauscht es durch den Wald von flatternden Helmbüschen unter lichtgrünen Bäumen, und Rüstungen blitzen in der Sonne. Jetzt, ränkesüchtiger Herzog, rüste dich zum Kampf und bitte den Himmel, dir deine Sünden zu vergeben!
Der Herzog sieht sie mit Entsetzen, doch sein Gelächter ist höhnisch.
»Ihr, meine Herren, kommt zu spät, König Magnus lebt nicht mehr. Kehrt um mit euren Pferden und reitet wieder heim! Jetzt bin ich König im Reich.«
Kaum hat er dies gesagt, da sieht er etwas, das sein Blut gefrieren läßt. Die Heiligen mögen ihn bewahren, wer reitet dort allen voran auf einem milchweißen Hengst? Wer hat dieses Haar, das wie ein Goldhelm schimmert? Wer hat diese traurigen Augen?
Ist der König aus dem Jenseits zurückgekehrt, sehe ich einen Geist?
Nein, du ränkesüchtiger Herzog, du siehst deinen leiblichen Vetter König Magnus. Zittre jetzt in deiner nachtschwarzen Seele und bitte den Himmel, dir deine Sünden zu vergeben!
O furchtbarer Kampf, der jetzt anbricht, o blutiger Junimorgen, da Schloß Wildgiebel sein schreckliches Ende erlebt und den Herzog sein Schicksal ereilt! Durch die Luft fliegen die Pfeile so dicht, daß sich der Himmel verfinstert, Sturmleitern werden von rasenden Männern errichtet, im Sund schwimmen wiehernde Rösser. Die Sturmglocke läutet, das Schloß fängt Feuer, der Brandrauch verdunkelt die Sonne. Der Herzog stirbt mit einem Pfeil in der Brust ... so endet sein grausames Leben!
Und ehe die Sonne untergegangen ist, wird Schloß Wildgiebel verschwunden sein. Stein für Stein wird es abgerissen und Stück für Stück, nie mehr wird es dort ein Schloß geben. O düsteres Schloß, nun ist deine Geschichte zu Ende! Verschwinde von deiner grünen Insel!
Als der Kampf vorüber und alles vorbei ist, steht König Magnus mit Tränen an der Stätte, wo Junker Nils sein junges Leben hingab, um das seines Königs zu retten. Um ihn stehen seine siegreichen Ritter, und unter Tränen spricht er zu ihnen:
»Junker Nils von Eka, vergeßt diesen Namen nie! Ihr edlen Herren, ihr braven Mannen, gedenkt seiner auf ewig! Denn das Schicksal des Reiches lag in seiner Hand.«
Es gab einen Jungen, der lag krank in einer Kate im tiefen Wald. Nils hieß der Junge, und Eka war der Name der Kate.
Am siebzehnten Juni abends war er ganz allein in der Kate, und er war schwer krank. Als seine Mutter von der Weide heimkam, wo sie die Kühe gemolken hatte, und ihn in seinem Fieber dahin-dämmern sah, da glaubte sie, daß er sterben müsse und nie wieder
sehen würde, wie die Sonne über der grünenden Erde aufgeht. Die ganze Nacht lag er da, als hätte das Leben ihn schon verlassen.
Doch am achtzehnten Juni morgens schlug er die Augen und war völlig gesund. Das war eine Freude in der armen Kate! Vater und Mutter und die kleinen Geschwister scharten sich um sein Bett in der guten Stube, sie alle waren ja so froh, daß er nicht sterben mußte. Die Mutter zog das Rollo hoch und ließ die warme Morgensonne in die Stube strömen, die Geschwister
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