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Märchen

Märchen

Titel: Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Wasser gefüllt, ein Stück von einem alten, zerrissenen Frottiertuch wurde ein herrliches Badelaken, und wenn sie auch ein ganzes Teil Wasser beim Hinuntertragen auf der Treppe verschütteten, so reichte doch das, was übrigblieb, noch immer aus, um darin zu baden.
    Schnell warfen sie die Kleider ab und stiegen in die Badewanne.
    Es war herrlich.
    »Rubbele mir den Rücken«, sagte Nisse.
    Und Bertil rubbelte. Und dann rubbelte Nisse Bertil den Rücken.
    Und dann bespritzten sie sich, und eine ganze Menge Wasser schwappte auf den Fußboden. Aber das machte nichts, denn sie hatten den Teppich zur Seite gerollt, und das Wasser konnte man aufwischen. Nachher wickelten sie sich in das Badelaken und

    setzten sich auf die Fußbänke vor den Ofen und erzählten sich alles über alles, und Bertil lief nach oben, um Zucker zu holen und ein winzig kleines Apfelstückchen, das sie vor dem Feuer brieten.
    Aber plötzlich fiel Bertil ein, daß ja bald Papa und Mama nach Hause kommen mußten, und er hatte es eilig, seine Kleider anzuziehen. Nisse zog sich natürlich auch an.
    »Das wäre ein Spaß, wenn du mit mir nach oben kommen würdest«, sagte Bertil. »Du könntest innen in meiner Jacke sitzen, damit Mama und Papa dich nicht sehen.«
    Nisse fand den Vorschlag sehr aufregend.
    »Ich werde ganz still sitzen«, sagte er.
    »Warum in aller Welt hast du so nasses Haar?« fragte Mama eine Weile später, als die Familie am Mittagstisch saß.
    »Ich habe gebadet«, sagte Bertil.
    »Gebadet?« sagte seine Mama. »Wo hast du denn gebadet?«

    »In dieser da«, sagte Bertil und zeigte kichernd auf die Schale, die mit Gelee auf dem Tisch stand.
    Da glaubten Papa und Mama, daß er nur Spaß mache.
    »Es macht doch Freude, Bertil wieder bei guter Laune zu sehen«, sagte Papa.
    »Ja, mein armer Junge«, sagte Mama. »Es ist nur schade, daß er hier den ganzen Tag so allein ist.«
    Bertil fühlte, wie etwas sich in seiner Jacke bewegte. Etwas Warmes, etwas sehr Warmes.
    »Du mußt deswegen nicht traurig sein, Mama«, sagte er. »Ich hab furchtbar viel Spaß, wenn ich allein bin.«
    Und dann steckte er seinen Zeigefinger unter die Jacke und streichelte Nils Karlsson-Däumling vorsichtig.
    Sonnenau
    or langer Zeit, in den Tagen der Armut, da gab es zwei kleine Geschwister, die waren ganz allein auf der Welt.
    V Aber Kinder können nicht allein sein auf der Welt, bei irgend jemand müssen sie sein, und darum kamen Matthias und Anna von Sonnenau zum Bauern auf Myra. Er nahm sie nicht zu sich, weil sie die klarsten, treuherzigsten Augen hatten und die zutraulichsten kleinen Hände oder weil sie ganz verzagt und verloren waren in der Welt vor Gram über den Tod der Mutter, nein, er nahm sie auf, damit sie sich nützlich machten.
    Denn Kinderhände können recht gut arbeiten, wenn man sie nur daran hindert, Borkenschiffchen zu schnitzen und Weidenflöten zu schneiden und Spielstübchen am Bergeshang zu bauen.
    Kinderhände können die Myrakühe melken und bei den Ochsen ausmisten, wenn man sie nur von allen Borkenschiffchen fernhält und von allen Spielstübchen und überhaupt von allem, womit sie am liebsten spielen.
    »Niemals wieder werde ich wohl fröhlich sein in meinem Kinderleben«, sagte Anna, als sie auf dem Melkschemel saß, und sie weinte.
    »Nein, hier auf Myra sind alle Tage grau wie die Feldmäuse im Stall«, sagte Matthias.
    In den Tagen der Armut war das Essen knapp auf den Höfen, und überdies meinte der Bauer auf Myra, Kinder brauchten nichts anderes als Kartoffeln, getunkt in Heringslake.
    »Mein Kinderleben währt nicht lange«, sagte Anna. »Bei Kartoffeln

    und Heringslake lebe ich nicht bis zum nächsten Winter.«
    »Bis zum nächsten Winter mußt du aber leben«, sagte Matthias.
    »Denn im Winter darfst du zur Schule gehen, und dann sind die Tage nicht mehr grau wie die Feldmäuse im Stall.«
    Als der Frühling nach Myra kam, da bauten Matthias und Anna keine Mühlräder an den Bächen, da ließen sie keine Borkenschiffchen in den Gräben schwimmen. Sie melkten die Myrakühe und misteten aus bei den Ochsen, sie aßen Kartoffeln, getunkt in Heringslake, und weinten gar viel, wenn niemand es sah.
    »Bliebe ich doch nur bis zum Winter leben und dürfte zur Schule gehen«, sagte Anna.
    Als der Sommer nach Myra kam, da pflückten Matthias und Anna

    keine Walderdbeeren im Gehölz, da bauten sie keine Spielstübchen am Bergeshang. Sie melkten die Myrakühe und misteten aus bei den Ochsen, sie aßen Kartoffeln, getunkt in

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