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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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dann war Julian bei mir.
    Er fasste mich an den Schultern und schüttelte mich einmal energisch, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Gut, die hatte er. Ich starrte in seine unendlich blauen Augen. Das alleine konnte mein Schreien unterbrechen, obwohl der Schmerz immer noch unerträglich war. Als Nächstes schloss er seine Finger sanft um meine verbrannte Hand.
    Und der Schmerz ließ nach.
    Mir stand der Mund offen. Ich blickte ihn fasziniert an, doch Julian gab mir nicht einmal eine Sekunde, um mich selbst zu fangen. Er schob mich rasch hinüber zur Spüle und hielt meine Hand unter den kalten Wasserstrahl. Wollte er die Wunde kühlen? Das war nicht mehr nötig. Ich spürte kein Brennen mehr und so, wie er seine Hände um meine Hand gewickelt hatte, kam sowieso kein Wasser dran.
    Ich atmete tief durch und hielt ganz still. Mein verwunderter Blick war dabei die ganze Zeit auf sein angespanntes Gesicht gerichtet. Nach einem langen Moment sah er auch endlich zu mir.
    „Marie, ruf die Rettung!“, hörte ich meine Mutter hinter mir kreischen.
    „Nein“, widersprach ihr Julian in einem befehlenden Ton. Seine Augen wichen dabei nicht von meinen. „Ich fahre sie.“
    Ich wischte mir mit der linken Hand über die Nase und die kleine Träne von meiner Wange, während er ein frisches Geschirrtuch um meine verletzte Hand wickelte, die mittlerweile bereits Brandblasen aufweisen sollte. Wahrscheinlich wollte er mit dem Tuch vertuschen, was er gerade gemacht hatte. Meine Haut war makellos wie eh und je. Doch ich wehrte mich nicht und folgte bereitwillig, als er mich zur Tür hinausschob. Auf dem Weg steckte er Maries Autoschlüssel ein, die er zuvor auf die Kommode gelegt hatte. Er hatte seinen Arm um mich gelegt und ließ mich nicht langsamer werden. In der Garage angekommen, machte er mir die Beifahrertür auf, half mir beim Einsteigen und beugte sich dann über mich, um mich anzuschnallen.
    Sekunden später fuhren wir durch das weite Garagentor und runter auf die Straße.
    In meinem Kopf hörte es endlich auf sich zu drehen. Testend drückte ich meine Hand zu einer Faust um das Geschirrtuch. Nichts. Nicht der geringste Schmerz, kein Brennen, Kribbeln oder Jucken. Wie war das möglich? Was lag in Julians Berührung, dass er eine Verbrennung zweiten Grades in nur einem Wimpernschlag heilen konnte?
    Als wäre nichts passiert.
    Ich gab ihm zwei Minuten—einhundertzwanzig kleine Schritte des Sekundenzeigers auf meiner Armbanduhr—um von selbst mit einer Erklärung herauszurücken.
    Aber Julian sagte nichts.
    Schließlich nahm ich das Geschirrtuch ab und warf es ihm in den Schoß. „Du kannst jetzt anhalten. Wir beiden wissen, dass ich nicht in die Notaufnahme muss.“
    Ich hörte das laute Klopfen meines Herzens, als ich darauf wartete, dass Julian etwas sagte, doch er starrte einfach weiter durch die Windschutzscheibe. Plötzlich quietschten die Reifen auf dem Asphalt und ich wurde in meinen Gurt gepresst. Erschrocken stemmte ich mich mit den Händen gegen das Handschuhfach bis der Wagen still am Straßenrand stand. Als ich wieder genug Luft zum Atmen in den Lungen hatte, drehte ich mich zu Julian und wartete auf seine Reaktion.
    Er umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß wurden. Doch er sagte noch immer nichts.
    „Du wirst das Lenkrad zerbrechen“, sagte ich leise und griff langsam nach seiner Hand. Da zischte er durch aufeinandergepresste Zähne, als hätte er große Schmerzen, und zuckte zusammen. Erschrocken zog ich meine Hand ebenfalls zurück.
    „Julian, was geht hier vor?“ Meine Stimme war zittrig und kaum hörbar.
    Er seufzte, strich sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augenbrauen und massierte dann die Stellen zwischen seinen Augen. Dann stieß er ohne Vorwarnung die Tür auf und stieg schneller aus, als ich hätte rüber greifen und ihn aufhalten können. Meine Ohren läuteten durch den Knall, als er die Tür hinter sich zuschlug.
    Ich wartete einen Moment, bis ich wieder Mut gefunden hatte, dann stieg auch ich aus. Julian marschierte am Straßenrand auf und ab, wobei er immer wieder Steine und anderes kleines Zeug mit dem Fuß aus dem Weg trat. Ich hatte plötzlich Angst, mich ihm zu nähern.
    Doch als er sich das nächste Mal umdrehte und wieder auf mich zukam, erkannte ich in seinen gequälten Augen, dass es nicht Zorn war, der ihn so rastlos machte. Es war Frustration.
    Ein paar Meter vor dem Geländewagen blieb er schließlich stehen.
    „Bitte, Julian, sag mir endlich, was los

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