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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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hast das Richtige getan.“ Das war meine Mutter und ihre Stimme kam von viel weiter weg. Wahrscheinlich stand oder saß sie am anderen Ende des Raums.
    „Warum fühlt es sich dann so falsch an, sie jedes Mal wegzustoßen, wenn sie mit dem Thema anfängt?“ Und mit sie meinte er wahrscheinlich mich. Tja, da war ich wohl genau im richtigen Moment nach unten gekommen.
    „Julian.“ Meine Mutter machte eine kurze Pause. Vielleicht seufzte sie gerade, so wie sie es ständig tat. „Ich weiß, wie gern du Jona hast. Aber von allen musst doch gerade du sehen, dass es für euch keine gemeinsame Zukunft geben kann.“
    Moment! Wovon redete sie bitte? Eine gemeinsame Zukunft? Hatte Julian das etwa im Sinn? Mir wurde plötzlich seltsam warm und mein Bauch kribbelte ganz komisch.
    „Sie hat schon genug gelitten“, fuhr Charlene fort. „Und jetzt … oh nein, sieh mich jetzt bloß nicht so an. Ich weiß sehr wohl, dass hauptsächlich ich an ihrem Leid schuld bin. Doch das gibt dir noch lange nicht das Recht, sie ebenfalls zu verletzen. Du weißt, dass du nicht bleiben kannst. Du wirst ihr das Herz brechen.“
    Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, wo Julian denn hingehen musste, doch nur bei dem Gedanken daran, ihn nicht mehr jeden Tag zu sehen, sackten meine Mundwinkel nach unten. Warum dachte meine Mutter, er könne nicht in Frankreich bleiben?
    „Vielleicht kann ich es ja doch.“
    „Was meinst du mit du kannst ?“
    „Es gibt eine Möglichkeit. Aber Jona ist noch nicht bereit dafür.“ Julians Stimme wurde leiser und dann wieder lauter, so als ginge er im Zimmer auf und ab. „Ich brauche noch etwas mehr Zeit mit ihr. Um sie zu überzeugen.“
    „Zögerst du etwa deswegen, mir zu helfen? Weil du für dich mehr Zeit rausschinden willst?“
    Etwas rumpelte von innen gegen die Tür und erschreckte mich fast zu Tode. Julian musste sich frustriert dagegen gelehnt haben. Seine Stimme war auch lauter als zuvor, als er meiner Mutter antwortete: „Ist das so falsch? Was sind schon ein paar Tage mehr? Nur eine weitere Woche, höchstens zwei.“
    Was war das denn plötzlich für ein Blödsinn? Wollte er etwa jetzt schon abhauen? Zurück zu—keine Ahnung—seinem Arbeitgeber vielleicht? Ich hatte gedacht, er würde für Charlene bis zu ihrem Tod da sein. Und was genau sollte in den nächsten zwei Wochen überhaupt passieren?
    „Sieh mich an, Julian. Meine Zeit ist um. Das ist sie schon seit einer Weile. Du kannst dieses Spiel nicht ewig treiben. So sehr ich mir auch wünsche, noch bleiben zu können und Jona zu einer jungen Frau heranwachsen zu sehen, so fühle ich doch, dass ich gehen muss.“
    Sie sprach davon, zu sterben. Ich konnte den endgültigen Ton in ihrer Stimme ausmachen.
    Die Hände über Nase und Mund gefaltet, bemühte ich mich langsam weiter zu atmen, doch es ging nicht. Ich bekam plötzlich keine Luft mehr. Mein Hals schnürte sich zu und meine Lungen verkrampften sich. Meine Mutter erwartete den Tod. Wie konnte sie dabei nur so ruhig bleiben? Und warum kümmerte es mich nach all den Jahren, in denen ich sie so abgrundtief verabscheut hatte? Ich sollte keine Mitleid verspüren und auch keine Panik darüber, sie nie wiederzusehen. Was war heute bloß los mit mir?
    Und dann war da immer noch Julian. Welche Rolle spielte er bei dem Ganzen? Es hatte sich gerade so angehört, als wäre es allein sein Verdienst, dass meine Mutter immer noch am Leben war. Ein eiskalter Schauer lief mir vom Nacken bis zu den Zehenspitzen.
    „Meine Tochter soll endlich wieder glücklich sein“, stöhnte Charlene. „Wenn du sie nicht freiwillig in Ruhe lässt, werde ich dafür sorgen, dass du dich von ihr fernhältst. Ich lehne deine Hilfe ab.“
    „Du hast um Hilfe gebeten, Charlene. Und hier stehe ich. Wage es jetzt nicht, dich in meine Vorgehensweise einzumischen.“
    „Deine Absichten haben sich geändert. Das hebt meine Abmachung mit deinem Boss auf“, fauchte meine Mutter scharf zurück. Dann wurde sie plötzlich still. Bei ihrem nächsten Satz einige Sekunden später klang sie wieder ruhiger, beinahe schon demütig. „Weiß er überhaupt, was du vorhast?“
    Julians müdes Lachen wurde leiser, als er wieder von der Tür wegging. „Denkst du allen Ernstes, es gibt auch nur ein Ding auf der Welt, von dem er nichts weiß? Genau genommen hatte ich keine Ahnung, dass tatsächlich eine Möglichkeit besteht, bis er mir vor einer Weile davon erzählt hat.“
    „Aber das ist falsch“, sagte Charlene mit Nachdruck. „Du

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