Märchensommer (German Edition)
du der ihre?“ Dabei nickte ich verächtlich in Charlenes Richtung.
Meine Mutter schnappte nach Luft und schlug sich dabei schockiert die Hand vor den Mund. Sehr erheiternd. Nicht ganz so lustig fand ich allerdings den Tritt, den mir Quinn daraufhin unterm Tisch gegen mein Schienbein verpasste.
Julian war der Einzige, der von meiner Unterstellung völlig unberührt schien. Er verschränkte die Hände auf dem Tisch und lehnte sich dabei langsam nach vorn auf seine Unterarme. Sein argwöhnischer Blick nagelte mich fest. „Du hast gar keine Ahnung, wie nahe wir uns stehen.“
Heiliger Bimbam. Warum nur musste alles, was er sagte, wie das anzügliche Schnurren einer Raubkatze klingen. Ich wollte gerade mit einer schnippischen Antwort kontern, doch aus meinem Mund kam irgendwie grad so gar kein Ton heraus. Zum ersten Mal seit Jahren war ich sprachlos.
Gott sei Dank kam in diesem Augenblick der Kellner und erlöste mich aus meiner Verlegenheit, als er nach unseren Wünschen fragte. Der Drache bestellte Leitungswasser. Passte zu ihr. Damit konnte sie dann das Feuer in ihrer Kehle löschen. Julian nahm ein Glas Orangensaft und Quinn bestellte ein alkoholfreies Bier.
„Und was darf’s für Sie sein, mein Fräulein?“
Ich hob meinen Blick zu dem Mann in schwarzen Hosen und weißem Hemd. „Hmm. Ich denke für den Anfang nehm ich erst mal einen Tequila. Oder vielleicht bringen Sie mir lieber gleich einen doppelten. Der Abend hat gerade erst angefangen. Da heißt es noch lange durchhalten.“
Das Besteck schepperte auf dem Tisch, als Quinn mir noch mal einen Tritt unterm Tisch verpasste. Ich quietschte auf. Unterdessen bestellte der Verräter eine Cola für mich. Der Kellner zog ab und schüttelte dabei den Kopf.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte mich Julian besorgt.
„Ja, alles bestens.“ Ich knirschte mit den Zähnen, wobei ich Quinn seitlich einen finsteren Blick zuwarf. Ich hatte doch tatsächlich gedacht, er sei mein Freund. Wahrscheinlich konnte er es kaum abwarten, bis ich endlich das Land verlassen würde.
Als wir alle etwas zu trinken vor uns stehen hatten, lehnte sich Quinn interessiert weiter vor auf dem Tisch und fragte meine Mutter: „Frankreich also? Wohin genau werden Sie die kleine Prinzessin denn entführen?“ Seine Stimme klang plötzlich sehr sanft, so als schwänge da doch ein wenig Bedauern mit. Er blickte dabei auch kurz zu mir.
Mein Herz taute gerade wieder etwas auf. Er würde mich wohl doch genauso sehr vermissen wie ich ihn.
„Meine Schwester lebt in der Provence. In einer kleinen Ortschaft namens Fontvieille.“
Zwar hatte ich das Wort Provence schon mal irgendwo aufgeschnappt, doch der Rest hörte sich für mich an, als würde ein Betrunkener nach dem Weg fragen. Egal. Charlenes Geschwafel interessierte mich sowieso nicht die Bohne. Zur leichten Ablenkung faltete ich lieber die weiße Stoffserviette vor mir zu einem hübschen kleinen Fächer. Wenn man den in der Mitte zusammendrückte, sah er sogar aus, wie eine niedliche Kragenschleife. Ich knickte den Fächer und hatte plötzlich so etwas Ähnliches wie einen weißen Umhang, der das Licht von oben reflektierte. Einen Umhang … oder eine Kutte, so wie ich sie heute Morgen in Abes Amtszimmer gesehen hatte.
Die plötzliche Erinnerung daran, ließ mich kurz nach Luft schnappen, die ich dann lauthals runterschluckte. Mein Blick wanderte quer über den Tisch rüber zu Julian, der sich in seinem Sessel zurückgelehnt hatte und die Hände lässig über seinem Bauch verschränkte. Er blickte mir geradewegs in die Augen.
Ich zuckte überrascht zurück, doch er blieb entspannt sitzen und bewegte keinen Muskel. Was machte er da? Versuchte er etwa, mich zu durchschauen? Eine lästige Anspannung schlich über mich, von der er anscheinend überhaupt nicht berührt war.
„… mit dem Vertrieb von Wein aus ihren eigenen Weinbergen haben sich die beiden ein nettes Zuhause geschaffen“, hörte ich meine Mutter erzählen. „Meine Schwester kann leider keine Kinder bekommen, obwohl sie sich immer eines gewünscht haben. Drum sind sie auch begeistert, dass ihre Nichte nun für ein paar Wochen bei ihnen leben wird.“
Quinn faltete seine Hände auf dem Tisch. „Miss Montiniere, ich hab mich gefragt—“
„Oh bitte, nennen Sie mich doch Charlene.“ Meine Mutter schenkte ihm ein kleines Lächeln.
„Ja, Quinn, bitte. Du musst sie einfach Charlene nennen. Unbedingt.“ Meine Stimme war süß wie ein Sahnebonbon. „Ist doch ein
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