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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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passender Name für einen gefühllosen Drachen, findest du nicht?“
    Ein pochender Schmerz zuckte durch mein rechtes Bein. „Verdammt!“ Wenn Quinn mich weiterhin trat, würde mein Bein morgen früh in sämtlichen Blau- und Grüntönen schimmern. Dieses Mal trat ich zurück. Leider streifte ich aber nur seine Jeans. „Ich kann nicht glauben, was es hier drinnen für lästige Ratten gibt“, brummte ich.
    „Und ich kann nicht glauben, dass du tatsächlich all deine Manieren zu Hause gelassen hast“, antwortete Quinn genau wie ich durch ein verbissenes Lächeln.
    „Bitte, Quinn, seien Sie meiner Tochter nicht böse. Ich verdiene mit Sicherheit ihren Zorn und ihr Misstrauen.“ Der traurige Blick meiner Mutter schwenkte zu mir. „Ist es nicht so, Jona?“
    Mir wurde kotzübel. „Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, du würdest mich einfach in Ruhe lassen und nicht mit mir reden, Charlene .“
    Ihre mit Lipgloss beschmierten Lippen verschwanden zu einem dünnen Strich, wobei ihre Mundwinkel leicht nach unten sackten. Sie hatte doch nicht allen Ernstes gedacht, ich würde sie tatsächlich Mom nennen, nachdem sie mir die Kindheit so königlich verpfuscht hatte.
    Durch das gedämpfte Licht in dem Pub wirkte ihr knochiges Gesicht plötzlich seltsam jung. Für einen kurzen Moment war es so, als säße mir ein Geist aus meiner Vergangenheit gegenüber, der mich mit großen dunkelbraunen Augen ansah. Das war die einzige Farbe, die heute noch genau so intensiv strahlte, wie damals vor dreizehn Jahren. Durch ihren eindringlichen Blick abgelenkt, bemerkte ich beinahe nicht, wie sie mir ihre Hand langsam über den Tisch entgegenstreckte. Erst im allerletzten Moment zog ich meinen Arm weg und legte beide Hände in den Schoß. Unter dem Tischtuch waren sie vor ihren hinterhältigen Angriffen sicher.
    Um nicht ganz so blöd auszusehen, griff Charlene statt nach meiner Hand nun nach ihrem Glas Wasser und zog mit dem Finger den Glasrand nach. Dann nahm sie einen kleinen Schluck und stellte das Glas vorsichtig wieder ab. Ihre Hände zitterten dabei.
    „Ich will offen zu dir sein, Jona“, sagte sie leise. „Wir werden nicht mehr allzu lange Zeit haben, um zu reden. Ich bin schwer krank. Es ist Krebs. Ohne eine Chance auf Heilung. Julian sa—“ Sie unterbrach sich selbst mit einem Räuspern und zog wieder Kreise auf dem Glasrand. „Die Ärzte geben mir nicht einmal mehr bis Ende des Jahres.“
    „Nein, was du nicht sagst. Das sind die ersten guten Neuigkeiten, die ich heute höre!“, rief ich begeistert.
    Unter dem Tisch schlangen sich plötzlich zwei Beine um meine Knöchel und hoben meine Füße nach oben. Durch die rasche Bewegung rutschte ich tiefer in meinen Sitz und ich schnappte überrascht nach der Tischkante. Dieses Mal trat Quinn ins Leere.
    „Das war vorhersehbar“, sagte Julian, wobei seine Augen so dunkel funkelten wie Saphirsplitter. Sachte setzte er meine Füße wieder auf den Boden und zog seine Beine zurück. Ich fragte mich dabei, worauf er tatsächlich anspielte: auf Quinns Tritt oder auf meine eiskalte Bemerkung.
    An unserem Tisch war es unangenehm still geworden. An Quinns Gesichtsausdruck erkannte ich, dass die Krankheit meiner Mutter keine Überraschung für ihn war. Sie mussten sich wohl heute früh bei Gericht miteinander unterhalten haben, nachdem mein Fluchtversuch so spektakulär gescheitert war. Vermutlich hatte sie sein Mitleid ausgenutzt und ihn um den kleinen Finger gewickelt. Und er war voll drauf reingefallen. Dummer Officer .
    Ihre Tage waren also gezählt, was soll’s? Umso besser, wenn ihr mich fragt.
    „Jona?“ Als sie meinen Namen nannte, lenkte meine Mutter damit meine Aufmerksamkeit von Quinn zurück auf sich. „Ich möchte nicht … gehen , ohne die Möglichkeit genutzt zu haben, die Dinge zwischen dir und mir wieder in Ordnung zu bringen. Lass mich gutmachen, was ich zerstört habe.“
    Ein fassungsloses Lachen entfuhr mir. „Du willst, dass ich dir vergebe? Das kannst du vergessen!“
    „Alles, worum ich dich bitte, ist, dass du das Angebot annimmst und zu deiner Tante nach Frankreich ziehst. Sie kann dir all das bieten, was ich dir niemals geben konnte. Mit ihrer Hilfe bekommst du einen guten Start in deine Zukunft.“ Ihre Unterlippe bebte. „Und was mich angeht, ich wünschte nur, du könntest mir die Fehler, die ich gemacht habe, verzeihen.“
    „Dann tut es mir leid, aber du wirst wohl abtreten, ohne deinen Wunsch erfüllt zu bekommen.“ Ein verächtliches Grollen

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