Mafiatod
konnte.«
»Moment mal«, antwortete er gedehnt. »Daran erinnere ich mich. Edward Johnson. Es dämmert mir. Was ist mit ihm?«
»Ich denke daran, ihn zu engagieren. Aber ich wollte erst eine vertrauenswürdige Empfehlung haben.«
»Sagte er Ihnen, Sie sollten bei mir anfragen?«
»Nein. Ich fand Ihren Namen in der Zeitung. In dem Bericht über den Mord im Hotel.«
»Ach so. Ich erinnere mich nämlich kaum an den Mann. Warten Sie einen Augenblick.«
Ich wartete. Nach einer Weile kam ein Mann namens Clark an den Apparat. »Sie wünschen eine Empfehlung für Edward Johnson, stimmt das?«
»Genau.«
»Also, er ist ehrlich. Er ist auch eigensinnig und feige. Er ist tüchtig, doch verlangen Sie nichts Gefährliches von ihm, denn das wird er nicht tun.«
»Aber er ist ehrlich.«
»Ja, ich glaube, darauf können Sie sich verlassen.«
Ich bedankte mich bei ihm. Dann schlug ich im Telefonbuch von Brooklyn Robert Campbell nach. Es gab zwei mit diesem Namen. Ich wählte die Nummer des ersten und fragte nach Dorothea, worauf die Frauenstimme antwortete: »Am Apparat.«
»Falsch verbunden«, sagte ich und legte den Hörer auf. Ich notierte mir die Adresse: 652 East 21st Street. Dann suchte ich die Straßenkarte von Brooklyn hervor. Ich fand die Adresse und zeichnete den Weg auf der Karte ein. Als Bill zurückkehrte, holten wir den Wagen und fuhren los.
11
Es war ein heruntergekommenes Apartmenthaus für vornehme Leute, mit Eisengittern vor den Türen und ohne Aufzug. Wir stiegen die Treppe zur Wohnung 4A hinauf und klingelten.
Dorothea Campbell war ungefähr fünfzig Jahre alt, groß, korpulent und grauhaarig. Sie strahlte dieselbe heruntergekommene Vornehmheit aus wie das Gebäude. Sie trug ein Hauskleid, eine Schürze und ausgetretene Pantoffeln. Ihr Gesicht war kalt. Sie hatte das Recht und die Macht, uns die Tür vor der Nase zu schließen, wenn es ihr beliebte. An Macht war sie nicht gewöhnt; möglicherweise machte sie keinen Gebrauch davon.
»Guten Tag«, sagte ich. »Ich bin Ray Kelly. Dies ist mein Bruder Bill. Mein Vater war früher der Rechtsberater Ihres Bruders.«
»Meines Bruders?« Auch ihre Stimme war kalt. »Was für ein Bruder?«
»Eddie Kapp.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Bruder.« Die Tür begann, sich zu schließen.
»Wir haben auch keinen Vater mehr«, sagte ich.
Die Tür blieb halb offen. »Was meinen Sie?«
»Er ist tot. Er tat unrechte Dinge, als er jung war. Aber wir lassen ihn deswegen nicht fallen.«
»Eddie Kapp hat mir das Leben zur Hölle gemacht«, erwiderte sie missmutig. Aber sie erschien mir jetzt auch trotzig. Ich wartete. Sie ließ die Klinke los und wandte sich ab. »Also kommen Sie herein, wenn’s sein muss«, brummte sie. »Sagen Sie mir, was Sie wollen.«
»Besten Dank.«
Wir traten ein, und ich war es, der die Tür zumachte.
Das Wohnzimmer war klein und mit viel zu großen Möbeln ausgestattet. Gedeckte Farben herrschten vor. Der Fernseher sah aus, als sei er zufällig in einer Ecke stehen gelassen worden.
Wir ließen uns auf einem breiten grünen Sofa nieder, und sie setzte sich uns gegenüber in einen dazu passenden Sessel. »Kannten Sie Willard Kelly, den Anwalt Ihres Bruders, persönlich?«, fragte ich. »Man sagt, Bill sehe ihm sehr ähnlich.«
»Ich bin acht Jahre jünger als mein Bruder«, antwortete sie. »Selbst wenn wir gleichaltrig gewesen wären, hätten wir kaum dieselben Bekannten gehabt. Ich hatte mit seinen Kumpanen nie etwas zu tun.«
»Mein Vater war eigentlich nicht sein Kumpan, sondern sein Anwalt.«
Sie schüttelte eigensinnig den Kopf. Sie wollte nicht ans Jahr 1940 denken.
Ich zuckte die Schultern. Wahrscheinlich wusste sie überhaupt nichts, das sie verdrängen wollte, wenigstens nichts, was mir nützlich gewesen wäre. »Wissen Sie, ob Eddie schon aus dem Gefängnis entlassen wurde?«, fragte ich.
»Am fünfzehnten September.«
»Dann wird er entlassen?«
»Ich hab einen Brief von ihm bekommen, den ich weggeworfen habe. Mich kümmert sein Schicksal nicht. Soll er im Gefängnis vermodern. Mir ist es gleich. Ich will sein schmutziges Geld nicht!«
»Er bot Ihnen Geld an?«
»Ich habe sein Mitleid nicht nötig. Ein Mann, der zweiundzwanzig Jahre im Gefängnis saß! Und er hat die Stirn, mich zu bemitleiden!« Sie merkte, dass sie in Gegenwart von Fremden laut dachte. Sie kniff die Lippen zusammen.
»Ist er immer noch in Dannemora?«
»Woher soll ich wissen, wer Sie sind?«, entgegnete sie.
Ich holte meine
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