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Mafiatod

Mafiatod

Titel: Mafiatod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald E. Westlake
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Brieftasche hervor und legte sie ihr auf den Schoß. Sie wirkte plötzlich beschämt. »Ich weiß nicht recht«, murmelte sie. »Manchmal denke ich, es gibt überhaupt keine Gerechtigkeit auf der Welt. Ich weiß gar nicht, was ich denken soll; ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Er ist noch in Dannemora?«
    »Ich wünschte, er bliebe dort. Ich wünschte, er würde mir nicht mehr schreiben. Nach zweiundzwanzig Jahren des Schweigens.«
    »Und er kommt am nächsten Donnerstag heraus, stimmt das? Am Fünfzehnten?«
    »So bald schon?« Sie sah uns verzweifelt an. »Was soll ich bloß tun?«
    »Will er hier wohnen?«
    »Nein, er … Er verlangt von mir, meinen Mann zu verlassen. Bruder und Schwester. Er schrieb, ich wäre seine einzige Angehörige. Er hätte viel Geld. Wir könnten in Florida leben.« Sie blickte ringsum auf all das, was Robert Campbell ihr gegeben hatte. »Meine Tochter ist bei der Telefongesellschaft angestellt«, erklärte sie unvermittelt. Sie sah mich wieder an. »Ich habe mir nicht klargemacht, dass es schon so bald ist. Nächsten Donnerstag. Ich habe ihm nicht geantwortet. Ich hab seinen Brief weggeworfen.«
    Sie sah zum Fenster hinüber, das auf einen Luftschacht hinausführte.
    Ich stand auf, trat zu ihr und nahm meine Brieftasche von ihrem Schoß. »Danke«, sagte ich.
    »Ja«, gab sie zerstreut zurück. Ihr Blick blieb auf den Luftschacht gerichtet.
    Bill und ich gingen zur Tür. Als ich aufmachte, drehte sich Dorothea Campbell um und starrte uns an, als ob sie uns nie zuvor gesehen hätte. »Was soll ich bloß tun?«, sagte sie.
    »Verlassen Sie sich nicht auf Eddie«, antwortete ich.
    Sie begann zu weinen.
    Wir stiegen die Treppe hinunter und kehrten zum Wagen zurück.
    »Wohin jetzt?«, fragte Bill.
    »Zu Morris Silber«, sagte ich. »Er steht nicht im Telefonbuch, aber ich fand auch keine Todesanzeige von ihm.«
    »Wer ist das?«
    »Der Hausbesitzer, den Vater so glänzend verteidigte, dass die Times über ihn schrieb.«
    »Menschenskind, das war vor dreißig Jahren. Der Mann ist sicher längst in Florida gestorben.«
    Ich nahm eine Zigarette heraus, aber sie zerbrach zwischen den Fingern. Ich warf sie aus dem Fenster und zog eine andere hervor. »Ich komme an das, was wirklich passiert ist, nicht heran«, sagte ich. »Alles ist so verdammt lang her. Die Leute sind gestorben, haben sich verändert, alles vergessen, sich gebessert, sind weggezogen. Keiner schert sich mehr darum. Vater hatte einen ganzen Haufen von Dauermandanten, die größtenteils aus der Unterwelt waren. Zwei von ihnen kennen wir, Eddie Kapp und Morris Silber. Kapp sitzt im Gefängnis. Keine Ahnung, wo Silber steckt. Niemand weiß, wer die übrigen Mandanten waren, das interessiert keinen. Wir sind nicht einmal sicher, ob Vater überhaupt Eddie Kapp meinte. Wir haben keinen Schimmer, was er sagen wollte. Dass Eddie Kapp es getan hat? Dass Eddie Kapp wissen wird, wer es getan hat? Vielleicht meint er, dass Eddie Kapp auf unserer Seite sein würde. Wir wissen in jeder Hinsicht nicht genug. Und kein Mensch weiß mehr.«
    »Irgendjemand muss doch etwas wissen, sonst wären die Morde nicht geschehen.«
    »Morris Silber kennt vielleicht noch ein paar andere Mandanten«, sagte ich nachdenklich. »Und die kennen vielleicht noch andere. Wenn wir einen Ausgangspunkt haben, können wir nach einer Weile die ganze Liste zusammenbringen.«
    »Das würde sehr lange dauern, Ray.«
    »Zeit ist das Einzige, was ich habe.« Ich sah ihn an, aber er schwieg. Ich fuhr fort: »Ich weiß, für dich ist es anders. Du hast deine Arbeit und das Kind. Haus und Wagen und alles. Ich habe gar nichts.«
    »Ich werde leider bald zurückkehren müssen, Ray.«
    »Wenn wir nur einen Ausgangspunkt hätten …«
    Er rieb sich die Nase und fragte: »Was ist denn mit dem Kerl, der den Artikel in der Times schrieb?«
    Ab und zu hatte Bill wirklich eine großartige Idee.
    »Fahren wir nach Manhattan zurück«, antwortete ich.

12
     
    Er hieß Arnold Beeworthy. Seine Adresse an der 74th Road fand ich im Telefonbuch von Queens. Außer ihm gab es keinen Arnold Beeworthy in New York City. Ich rief die Nummer – Newtown 9-9970 – von einem öffentlichen Apparat aus an, und ein verschla fener Bariton meldete sich lustlos.
    Ich fragte: »Haben Sie für die New York Times gearbeitet?«
    »Ich schreibe immer noch für die. Wie spät ist es jetzt eigent lich?«
    »Kurz nach eins.«
    »Na ja, ich muss ohnehin aufstehen. Bleiben Sie am Apparat.«
    Ich hörte ein

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